: Arnold Küsters
: Endstation Allgäu Kriminalroman
: Piper Verlag
: 9783492967655
: Allgäu-Niederrhein-Krimis
: 1
: CHF 7.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 464
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als der Kemptener Kommissar Carsten Jakisch von seinem grantigen Vorgesetzten dazu verdonnert wird, ungelöste Fälle aufzuarbeiten, stößt er auf eine alte Vermisstensache. Vor Jahren ist im Werdensteiner Moos eine Frau verschwunden, Spuren führen an den Niederrhein. Jakisch bittet die Mönchengladbacher Kollegen um Hilfe, schließlich gilt es auch noch die allesentscheidende Frage nach dem einzig wahren Schweinebraten zu klären: Kartoffelklöße oder Semmelknödel?

Arnold Küsters, geboren 1954 in Nettetal-Breyell, studierte unter anderem Anglistik, Amerikanistik, Pädagogik und Psychologie. Seit 1986 ist er als Journalist tätig, vor allem für den Westdeutschen Rundfunk und die ARD, und berät Unternehmen in Presse- und Imagefragen. Küsters lebt in Mönchengladbach, ist verheiratet und hat einen Sohn. Wie seine Ermittler liebt er den Blues und spielt privat in der Rockband STIXX sowie bei »streng geheim«, Deutschlands einziger Band, die aus Krimiautoren besteht. Nach »Schweineblut«, »Totenstimmung« und »Ein Knödel zu viel« erschien mit »Endstation Allgäu« sein vierter Krimi bei Piper.

II.


»Was willst du, meine Liebe?« Justus Liebig musterte sie von oben bis unten und schickte ein spöttisches»Karriere machen?« hinterher.

Katharina war mal wieder spät dran. Wie immer hatte sie keinen Parkplatz gefunden. Laut fluchend war sie durch den Platzregen zur Redaktion gelaufen. Nun saß sie im Büro des Chefredakteurs. Ihre nackten Füße steckten in nassen Ballerinas, und ihre Haare waren eine einzige Katastrophe. Sie verkniff sich eine Antwort. Sie wollte möglichst schnell raus aus ihren Schuhen und raus aus der Redaktion.

»Wenn du vorankommen willst, sei wenigstens pünktlich. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.« Liebig hob die Hand, als erwarte er Widerspruch.»Und bring mir eine Story, die deine Oma berührt. Keine C-Promis, nixüber aufgespritzte Lippen. Obwohl«, er grinste anzüglich,»na ja– nee, schon gut, brauchst gar nicht so pikiert zu tun. Ich will das echte Leben. Die Leser haben genug von Irak, Syrien oder Ukraine. Bring mir den«, er warf sich mitübertriebener Geste in eine Denkerpose,»ja, bring mir den echten Menschen. Die besten Geschichten liegen vor deiner Haustür. Du musst nur zugreifen.« Liebig sah ihr direkt in die Augen.»Als ob du das nicht wüsstest, meine Liebe.« Der Redaktionsleiter wippte auf seinem Drehstuhl vor und zurück und spielte dabei mit seinem Kugelschreiber. Seine Augen wanderten ungeniertüber ihr feuchtes Sommerkleid. Dann warf er eine Büroklammer Richtung Terminplaner, der an der Wand gegenüber hing.»Und beeil dich. Ich habe noch jede Menge Platz.«

Blablabla. Liebig war ein dickes, trotziges Kind. Katharina bekam Kopfschmerzen. Sie hätte seine Unverschämtheiten parieren können, doch sie beschloss, weiterhin zu schweigen. Stattdessen schoss ihr der Gedanke an den Trockner ihrer gehbehinderten Nachbarin durch den Kopf. Sie hatte vergessen, ihn auszuschalten! Na prima! Vor zwei Jahren wäre fast das Haus abgefackelt, weil das Ding im Keller einen Kurzschluss gehabt hatte. Sie hatte damals der alten Dame versprochen, ihr regelmäßig mit dem Trockner zu helfen. Liebigsüberfallartiger Anruf hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht.

»Was ist?« Liebig deutete ihren erschrockenen Blick als Reaktion auf seine Forderung.

»Ich muss dann mal wieder.« Katharina griff nach ihrer Tasche und stand auf. In ihren Schuhen schmatzte es hörbar.

Liebig hob mit gespieltem Erstaunen eine Augenbraue.»Willst du nicht wissen, warum ich dich herbestellt habe?«

Was denn noch?

Der Chefredakteur grinste.»Setz dich ruhig wieder.«

Sie zögerte. In ihrer Phantasie loderten bereits die Flammen. Sie musste die Redaktion augenblicklich verlassen! Liebig! Der Fettsack wollte mal wieder sein Lieblingsspiel spielen: Ich bin dein Chef! Katharina zog ungeduldig Luft durch die Nase.

»Du bist jung und gut– aber du musst noch eine Menge lernen. Bilde dir auf das Lob bloß nichts ein. Also: Ich finde deine Storyüber diesen Dings, diesen Arzt im Praktikum, gar nicht mal so schlecht. Hätte ich nicht gedacht, dass du daraus was stricken kannst. Wir setzen sie auf Seite eins der Sonntagsbeilage. Aber«, er hob den Zeigefinger,»nicht abheben, Frau Starjournalistin.«

Ole! Wenn Liebig wüsste! Sie war mit dem angehenden Dr. med. Ole Olsen zum Abendessen verabredet. Wenn nicht noch ein Notfall dazwischenkam.

»War’s das?« Katharina klang ungehaltener als gewollt. Aber es geschahen noch Zeichen und Wunder: Liebig war tatsächlich zufrieden! Andererseits, sie hatte schließlich alles gegeben. Bei dem Gedanken an Oles Hintern lächelte sie.

»Deinüberhebliches Grinsen kannst du dir sparen.« Liebig drehte sich mit seinem Stuhl schwungvoll zu seinem Bildschirm hin. Für Katharina das untrügliche Zeichen dafür, dass die Besprechung beendet war.

»Mein Mentor hat immer gesagt, die besten Storys schreibst du nur, wenn du sie auch selbst erlebt hast. Nur so gibt’s den Pulitzerpreis. Merk dir das.« Liebig starrte angestrengt auf seinen Bildschirm.

Eben, dachte Katharina.

Sie verließ Liebigs Büro auf Zehenspitzen. Sie wollte nicht, dass er das Schmatzen ihrer Ballerinas hörte. Sie würde einen Schnupfen bekommen. Welch ein Spätsommer.

Justus Liebig sah ihr hinterher. Warum nur lief sie wie auf Eiern? Ein Meter achtzig schwankendes Weib. Er grinste. Nicht die schlechteste Aussicht.

Der Chefredakteur derRheinischen Allgemeinen Nachrichten warf einen Blick in seinen Kaffeebecher. Auf der Oberfläche hatte sich ein schillernder Film gebildet. Er trank dennoch einen Schluck. Er verzog das Gesicht. Kalt, der Kaffee. Und der Textüber die Sitzung des Heimatvereins viel zu lang. Auch der Volontär musste noch viel lernen. Er speicherte den Text ab und schob sorgfältig die Papiere zusammen, die sich auf seinem Tisch angesammelt hatten. Eigentlich hasste er Unordnung, aber hier in der Redaktion entstand ständig neues Chaos.

Liebig hielt einen Augenblick inne und betrachtete versonnen den Terminplaner, der fast die gesamte Stirnwand seines Büros einnahm. Katharina! Das Mädchen würde er auch noch knacken. Die Kleine würde bald das beste Pferd in seinem Stall