: Susanne Hasenstab
: Das Leben kann mich kreuzfahrtweise Roman
: Blanvalet
: 9783641260309
: 1
: CHF 8.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Seefahrt, die ist lustig - oder vielleicht doch nicht?
Ines' Mutter hat gebucht, und zwar eine Nordseekreuzfahrt mit allem Drum und Dran für sie selbst und ihre Tochter. Die Aussicht auf zwei Wochen auf engstem Raum mit ihrer Mutter erfüllt Ines mit Grauen, sie will die Reise aber nutzen, um sich endlich innerlich von ihrem Freund Günther zu trennen, der zu alt und vor allem zu verheiratet für sie ist. Auf dem Schiff erweist sich Ines' Mutter als geringstes Problem - viel nerviger sind dauerhungrige Mitreisende wie Frau Kempf, die nach dem »Großen Elsässer Käseabend« mit Darmverschluss die Reise vorzeitig abbrechen muss oder ein sehr grantiger österreichischer Greis, der keine Möglichkeit auslässt, seine vernichtende Meinung über den Massentourismus auf hoher See kundzutun. Einziger Lichtblick: Sein attraktiver Sohn Johann, dem Ines auf der Alpenglühn-Oktoberfestparty an Bord näher kommt. Aber was ist mit Günther?

Ebenfalls von Susanne Hasenstab erschienen:

Irgendwo zwischen Liebe und Musterhaus

Susanne Hasenstab, geboren 1984, studierte Romanistik und Skandinavistik in Frankfurt/Main und Lausanne. Sie arbeitet als freie Autorin und Kolumnistin für unterschiedliche Printmedien und beim Radio. Zusammen mit ihrem Bühnenpartner Emil Emaille tritt sie mit kabarettistischen Leseprogrammen auf. In ihrer Freizeit macht sie gern Yoga, reist und belauscht andere Leute, um Inspirationen für ihr Bühnenprogramm zu sammeln.

Kapitel 2


Ich sitze mit Günther amWurstbänkchen, einer bruchreifen Imbissbude am Flussufer, etwa anderthalb Kilometer außerhalb der Stadt. Wenn wir uns nicht direkt in meiner Wohnung treffen, ist das Wurstbänkchen in den Sommermonaten einer unserer beliebtesten Zufluchtsorte: wacklige Biertischgarnituren, deren Oberflächen noch nie in Kontakt mit einem Wischlappen gekommen sind, auf einer leicht abfallenden Wiese, die die Wurstbänkchen-Gäste im Lauf der Zeit zu einem braungrünen Bodenbelag zusammengetrampelt haben, aus dem noch einzelne, verzweifelte Grashalme ragen. Im Schatten von Trauerweiden und schiefen, mit Bierwerbung bedruckten Plastiksonnenschirmen können wir Händchen halten und so tun, als wären wir ein ganz normales Pärchen, das während eines romantischen Spaziergangs am Fluss zufällig in die groteske Kulisse des Wurstbänkchens gestolpert ist und sich nun aus Kuriositätsgründen – hach, wie authentisch! – hier bei Dosenbier und Currywurst auf den ranzigen Bänken zur Rast niederlässt.

Später, beim Spiele- und Tapas-Abend mit unseren Freunden, können wir dann erzählen, was wir heute Lustiges entdeckt haben, da müssten wir unbedingt mal zusammen hin, das sei irgendwie abgefahren, ein idealerPlaceauch, um ironisch-schrottige Fotos für Insta zu machen.

Aber wir haben keine gemeinsamen Freunde, denen wir vom Wurstbänkchen berichten könnten. Uns steht kein Pärchenabend und kein gemeinsamer Brunch oder Wochenendtrip bevor. Die Existenz des Wurstbänkchens ist für uns bittere Notwendigkeit, da wir uns sonst nirgends blicken lassen dürfen.

Das Wurstbänkchen ist ein kulturelles und soziales Vakuum. Keine Verbindung zu jener Welt, der wir angehören. Man läuft hier nicht Gefahr, entdeckt zu werden. Hier sitzen ausschließlich Senioren, aber nicht die fitten, agilen Senioren, die auf der Apotheken-Umschau oder auf Werbeanzeigen fürBusrundreisen für Best Agerdurch Patagonien oder Namibia abgedruckt sind, sondern das genaue Gegenteil: Worst Ager, die sich jeden Vormittag mit Mühe und Not gichtgeplagt bis zum Wurstbänkchen schleppen. Winzerprosecco, Kümmelschnaps und Weizenbier, bis die Sonne untergeht. Für weitere Reisen fehlt ihnen die Kraft und das Geld. Dass die hochstehenden Kulturfreunde von Günther und Sanna sich ans Wurstbänkchen verirren würden, ist komplett ausgeschlossen.

Günther erzählt mir gerade voller Begeisterung von einer Dokumentation, die er kürzlich gesehen hat. Brutpflege bei Pinguinen, unheimlich interessant sei das. »Der Mann brütet zwei Monate lang das Ei aus, bleibt da in der eisigen Kälte stehen. Die Frau geht weg, isst ganz viel Fisch und kommt dann wieder, um das Kleine und den entkräfteten Mann zu füttern. Erstaunlich, oder?«

Ich bin den Tränen nah. Nicht wegen der rührenden Aufopferungsbereitschaft der Pinguin-Eltern, sondern weil ich heute wirklich mit Günther Schluss machen muss.

»Apropos füttern.« Ich bemühe mich um ein Lächeln. »Soll ich uns was zu essen holen? Currywurst wie immer?«

»Ich mach das schon, Süße.« Günther beugt sich über den Tisch, gibt mir einen Kuss und steht dann auf, um sich an der Bude hinter zwei Senioren anzustellen, die schwarze Unterhemden, Jogginghosen und Filzpantoffeln tragen.

Es ist sowieso klar, dass es unser letztes Treffen vor der Kreuzfahrt ist und wir uns für zwei Woch