: Martina Bick
: Tod im Priel
: Emons Verlag
: 9783960412076
: 1
: CHF 6.90
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Hamburger Kripobeamtin Anne Schumacher ist wegen eines Dienstvergehens vorübergehend suspendiert - an der Nordsee will sie nun auf andere Gedanken kommen. Doch ihre Neugier lässt sie nicht ruhen: Ist die Dame, in deren Haus sie wohnt, wirklich bei einem Unfall im Hafenpriel ums Leben gekommen? Oder war es Mord? Anne begibt sich auf eine Spurensuche, die von Tag zu Tag gefährlicher wird ...

Martina Bick schreibt Kriminalromane, Romane und Kurzgeschichten und gibt Anthologien heraus. Sie erhielt verschiedene Preise und Stipendien. Als Musikwissenschaftlerin ist sie Mitarbeiterin in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und Referentin der Gleichstellungsbeauftragten.

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Der leise winselnde Ton, mit dem das Handy ihres Tischnachbarn signalisierte, dass es eineSMS empfangen hatte, erinnerte Anne an das Geräusch von Teddy, dem alten Familienhund, wenn ihm mal wieder jemand auf den Setter-Schweif getreten war. Das Winseln drang durch all das Gerede und Geraune der zahlreichen Kaffeetrinker und -trinkerinnen schmerzlich an ihr Ohr. Ihr Tischnachbar schien es nicht zu bemerken. Er nutzte die kurze Pause in der Tageshetze dazu, in die Zeitung zu schauen, und war ganz in seine Lektüre vertieft.

Anne saß auf einer Bank direkt am Fenster des Cafés und blickte auf die Rathausstraße und auf die hintere Ecke der Petrikirche. Vor ihr stand eine dickwandige weiße Tasse mit einem großen Cappuccino, auf dessen Milchschaumdecke sie extraviel Kakao gestreut hatte. Als sie den ersten Schluck genommen hatte, dachte sie daran, dass er bald schon ausgetrunken sein würde, und es tat ihr bereits jetzt leid, dass das Vergnügen dann vorbei wäre.

Noch ehe die Tasse leer war, sah sie sich schon wieder die Trageriemen ihrer Umhängetasche über den Kopf werfen, die Tasse auf den überquellenden Geschirrwagen stopfen und aus der Tür drängeln, zu ihrem Fahrrad, zurück nach Hause. Wohin auch sonst? In den letzten Wochen hatte sie schon alle Museen abgeklappert. Häufig ging sie auch in die Nachmittagsvorstellungen der Kinos, die dann so angenehm leer waren. Aber so oft gab es keine neuen, sehenswerten Filme in Hamburg, und gute Filme schaute sie sich nicht gern ein zweites Mal an. Womöglich gefielen sie ihr dann nicht mehr. Sie ging auch nicht gern einkaufen, shoppen, Schnäppchen jagen. Sie hatte alles, was sie brauchte, und sie brauchte nicht viel. Das einzige, was ihr fehlte, war eine Aufgabe, und genau die sollte sie im Augenblick nicht haben. Sie sollte sich erholen. Sie hatte ein Burn-out-Syndrom – aber so nannte man das inzwischen ja nicht mehr. Jedenfalls war es keine Krankheit. Burn-out war viel mehr – oder viel weniger, ganz wie man es sehen wollte –, hatte der Arzt ihr erklärt. Auf jeden Fall war sie vom Dienst suspendiert, arbeitslos, vielleicht für immer. Sie war keine Polizistin mehr. Aus und vorbei. Vorbei die Eile, immer drei Schritte ihrer Zeit und sich selbst voraus sein zu müssen. Vorbei der Stress, immer in Bewegung, immer im Dienst zu sein. Vorbei die schlaflosen Nächte, die zu vielen Tabletten und der zu viele Alkohol, um doch noch ein bisschen schlafen zu können. Nicht vorbei aber war dieses Gefühl von Müdigkeit tief in ihr drinnen, von unendlicher Erschöpfung, das wie eine Sandbank, die bei Ebbe aus dem Meer auftauchte, immer größer und größer wurde. Eine bleierne Erschöpfung, ein Satt-und-müde-Sein, das sich einfach nicht wegschlafen ließ. Das ihr schon lange Angst bereitet hatte. Zuerst hatte sie gedacht, es wäre das Älterwerden. Aber da war sie erst dreißig Jahre alt gewesen. Später war sie dann schon fünfunddreißig gewesen