: Katharina Peters
: Wintermord Ein Rügen-Krimi
: Aufbau Verlag
: 9783841235459
: Romy Beccare ermittelt
: 1
: CHF 4.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein Toter im Jasmund.

Anfang Dezember wird im Jasmund die Leiche des zwanzigjährigen Benjamin entdeckt. Wie schlafend lehnt er an einem Baum, doch genauere Untersuchungen ergeben, dass er mit einem stumpfen Gegenstand getötet worden ist. Fieberhaft sucht Romy Beccare nach einem Motiv. Benjamin lebte mit seinem Bruder Jakob zusammen, seit seine Eltern ums Leben gekommen waren. Nichts deutet darauf hin, warum er Opfer eines Verbrechens geworden ist. Bis Romy auf einen Cold Case stößt - den rätselhaften Tod eines Mädchens an den Kreidefelsen von Sassnitz ... 

Hochspannend und mit viel Inselflair - der neue Rügen-Krimi von Bestsellerautorin Katharina Peters.



Katharina Peters schloss ein Studium in Germanistik und Kunstgeschichte ab. Sie begeistert sich für japanische Kampfkunst und lebt mit ihren Hunden in Schleswig-Holstein. An die Ostsee fährt sie, um zu recherchieren, zu schreiben - und gelegentlich auch zu entspannen. 

Aus der Rügen-Serie mit Romy Beccare sind »Hafenmord«, »Dünenmord«, »Klippenmord«, »Bernsteinmord«, »Leuchtturmmord«, »Deichmord«, »Strandmord«, »Fischermord«, »Schiffsmord«, »Ankermord«, »Ufermord«, »Inselmord« und »Wintermord« lieferbar.

Aus der Ostsee-Serie sind »Todesstrand«, »Todeshaff«, »Todeswoge«, »Todesklippe«, »Todeswall«, »Todesbrandung« sowie »Todesküste« lieferbar.

Mit der Kriminalpsychologin Hannah Jakob als Hauptfigur sind »Herztod«, »Wachkoma«, »Vergeltung«, »Abrechnung«, »Toteneis« und »Abgrund« lieferbar.

In der Bornholm-Serie sind erschienen: »Bornholmer Schatten«, »Bornholmer Falle«, »Bornholmer Flucht« sowie »Bornholmer Finale«.

Unter www.katharinapeters.com finden Sie alle lieferbaren Titel und mehr zur Autorin.

1


Der Mann lehnte am Stamm einer Buche, »als würde er eine Pause einlegen und die wundervolle Atmosphäre des Waldes auf sich wirken lassen« – so hatte der Spaziergänger, der bei einer frühmorgendlichen Wanderung im Jasmund in der Nähe des Großsteingrabs Hagen-Stubnitz auf die Leiche gestoßen war, die Auffindesituation beschrieben. Und in seiner Stimme hatten zugleich Schock und Verwunderung mitgeschwungen.

Kommissarin Romy Beccare zog die Schultern hoch und hüllte ihr Gesicht gegen den eisigen Wind tief in ihren Schal, während sie näher trat und die auf bizarre Weise bezaubernde Atmosphäre auf sich wirken ließ. Der Schnee verschluckte sämtliche schrillen Geräusche. Die Geschäftigkeit der Kriminaltechniker klang ungewohnt gedämpft, sanft, wie ein andächtiges Flüstern im Winterwald, Romy neigte den Kopf seitlich und musterte das Gesicht des Toten – sein ebenmäßiges junges Antlitz wirkte selbst in diesem Moment apart, im dunklen Haar und auf den Wimpern hatten sich Schneeflocken verfangen, die geöffneten Augen blickten selbstvergessen in den Wald, seine Hände ruhten auf den Oberschenkeln, die Beine waren ausgestreckt.

Romy riss sich von dem Anblick los, als ein leises Räuspern hinter ihr erklang, und drehte sich rasch um.

Doktor Möller aus der Rechtsmedizin nickte ihr zu. »Er sieht nur von vorne so gut aus«, erklärte er nach kurzer Begrüßung und ging voran auf die andere Seite des Baumstamms. Getrocknetes Blut bedeckte den Hinterkopf und war bis weit über die Schultern erkennbar – als gefrorene dunkle Schicht.

»Stumpfe Gewalt?«, fragte Romy, während sie sich hinabbeugte.

»Sieht ganz so aus. Ein heftiger Schlag, vermute ich. Eine Tatwaffe hat sich bislang nicht angefunden, und was die sonstige Spurenlage angeht …« Möller ließ den Satz unvollendet und deutete eine unbestimmte Handbewegung an.

Es hatte auch nachts geschneit, dachte Romy und richtete sich wieder auf. Spuren ließen sich kaum noch sichern, geschweige denn Schlussfolgerungen ableiten.

»Was ist hier passiert?«, fragte sie halblaut und blickte den seit Jahren vertrauten Rechtsmediziner an, der so manche Ermittlung entscheidend begleitet hatte und ihr beharrliches Nachforschen auch über die juristisch bedeutsamen Fakten hinaus selten infrage stellte. »Ein Streit, der eskaliert ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Das passt nicht zur Auffindesituation. Warum sollte der Täter sein Opfer anschließend auf diese Weise zurücklassen?«

»Vielleicht hat er sich schwer verletzt bis an den Baum geschleppt, ist dann dort sitzen geblieben und verstorben, womöglich erst nach einiger Zeit«, gab Möller zu bedenken. »Kopfverletzungen sind tückisch, und nicht immer zeigt sich augenblicklich das gesamte Ausmaß des Traumas.«

»Ich verstehe. Doch ein Streit, ein Handgemenge hätte auch andere Verletzungen und Spuren auf der Kleidung hinterlassen«, wandte sie ein. »Davon ist auf den ersten Blick nichts zu erkennen.«

Möller nickte nachdenklich. »Stimmt. Aber genauer werden wir das erst einschätzen können, wenn ich ihn auf dem Tisch habe.«

»Ein geplanter Mord?«, überlegte Romy nach kurzer Pause weiter. »Ausgerechnet hier draußen, im Jasmund?«

»Warum nicht hier? Er wird erst am nächsten Tag gefunden, das lässt dem Täter viel Zeit.«

Das war ein Argument, dachte Romy. »Was auch immer hier passiert ist – wann könnte es ungefähr geschehen sein?«, fragte sie schließlich weiter. »Eine Schätzung würde mir genügen.«

»Irgendwann gestern – in den späten Nachmittags-, frühen Abendstunden. Es war eisig in der Nacht – das erschwert eine erste Beurteilung natürlich.«

Romy sah sich um, als sie knirschende Schritte hinter sich hörte. Marco Buhl, der Leiter der Kriminaltechnik, trat näher. Er grüßte mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. »Benjamin Koller, zwanzig Jahre alt, Student, gebürtiger Sassnitzer«, erklärte er dann gewohnt knapp. »Er hatte seinen Studentenausweis und Handy dabei. Alles Weitere wird bereits gecheckt. Du erfährst es so schnell wie möglich.« Damit wandte er sich wieder ab.

»Buhl?«

»Ja – wir suchen weiter die Gegend ab, weiträumig natürlich«, entgegnete er kurzangebunden. »Wie üblich. Aber mach dir keine Hoffnung auf aussagefähige Spuren und schnelle Ergebnisse.« Damit stapfte er davon.

Wenn Romy nicht wüsste, dass Buhl sich fast immer so oder so ähnlich verhielt, würde sie ihn für unhöflich und abweisend, nahezu feindselig halten. Sie wusste längst, dass ihm junge Opfer zu schaffen machten und ihn besondere Brutalität aufwühlte.

Romy machte sich wenig später auf den Weg ins Kommissariat nach Bergen, wo der Kollege Maximilian Breder bereits mit einem ersten Hintergrundcheck auf sie wartete. Sie goss sich einen Kaffee ein und verzog nach dem ersten Schluck das Gesicht – das Gebräu schmeckte bemerkenswert scheußlich. Fine, du fehlst, dachte sie und seufzte. Fine Rohlbart, die jahrzehntelang gute Seele der Bergener Polizei, hatte sich nach längerer Krankheit inzwischen in den Ruhestand verabschiedet, und das war täglich spürbar, nicht nur im Hinblick auf köstliche Imbisse, mit denen sie das Team stets verwöhnt hatte. Ihre ordnende Hand, die dröhnende Stimme, Übersicht und ein reichhaltiger Schatz an Erfahrungen fehlten an allen Ecken und Enden im Kommissariat. Die junge Polizistin, die bereits vor geraumer Zeit einen Teil ihrer Aufgaben übernommen hatte, konnte sie – natürlich! – nicht ersetzen. Im Übrigen war die Beamtin der Meinung, dass es keineswegs zu ihren Pflichten gehörte, Ermittler und Kommissarinnen stets mit frischem Kaffee und kleinen, liebevoll zubereiteten Mahlzeiten zu verwöhnen – und dagegen ließ sich kaum etwas einwenden.

Max warf Romy einen schrägen Blick zu. »Du solltest auf Tee umsteigen«, meinte er in lakonischem Ton.

»So tief bin ich nun wirklich noch nicht gesunken. Lieber koche ich den Kaffee selbst.«

Max zuckte mit den Schultern und setzte sich mit dem Tablet an den runden Tisch im Besprechungsraum. Er wartete geduldig, bis Romy sich mit frischgekochtem Kaffee versorgt hatte, neben ihm Platz nahm und ihm einen auffordernden Blick zuwarf. »Leg los, Kollege. Ich weiß bisher nur, dass das Opfer gerade mal zwanzig Jahre alt geworden ist und aus Sassnitz stammt. Was immer da gestern Nachmittag oder Abend passiert ist – die Auffindesituation gibt nichts dazu her.«

»Benjamin Koller hatte kürzlich mit dem Studium in Stralsund angefangen«, begann Max mit seinem Bericht. »Medizintechnik. Nebenbei hat er ein Praktikum in einer kleinen Firma absolviert …« Er unterbrach kurz und hob den Blick. »Er hat mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Jakob zusammengelebt, nachdem die Eltern kurz hintereinander vor ungefähr einem Jahr verstorben sind.«

Romy stellte ihre Tasse wieder ab und starrte Max bestürzt an.

»Eine Familientragödie – die Mutter war bei einem Autounfall im letzten Winter ums Leben gekommen, der Vater Robert hat sich wenig später das Leben genommen«, fuhr Max fort. »Seitdem versuchen die beiden offenbar, das Leben gemeinsam zu meistern. Jakob geht noch zur Schule – er bereitet sich aufs Abitur vor.«

Romy war tief betroffen – innerhalb von gut einem Jahr waren drei von vier Familienmitgliedern tot, und Benjamin war zudem das Opfer einer Gewalttat geworden. Das war schwer zu verdauen.

»Meine Güte«, sagte sie leise. »Wie bringen wir das dem Bruder bei?« Dazu sagte Max nichts. Sie stand langsam auf, blickte einen Moment unschlüssig zum Fenster hinaus. Dann griff sie nach ihrer Jacke. »Ich fahre direkt nach Sassnitz«, erklärte sie dann. »Die Adresse …«

»Hast du schon auf deinem Handy«, warf Max ein. »Und ich spreche mich sofort mit den Stralsundern ab und erweitere den Hintergrundcheck. Handydaten folgen bestimmt auch in Kürze.«

»Gut. Alles Weitere dann später.«

Jakob und Benjamin wohnten in ihrem Elternhaus im westlichen Sassnitz an der Mukraner Straße – eine beschauliche Gegend mit Ein- und Mehrfamilienhäusern, Schule, Sportanlagen, kleineren Pensionen, nicht weit vom Schmetterlingspark entfernt. Als Romy aus dem Wagen stieg, war es gerade mal zehn Uhr – sie hatte Jakob...