: Louie Stowell
: Loki - Warum man als schlechter Gott immer an allem schuld ist (oder auch nicht)
: Carl Hanser Verlag München
: 9783446278578
: 1
: CHF 10.70
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In Band 2 der Loki-Reihe von Louie Stowell muss der elfjährige Gott Loki die Welt retten. Erfrischend, leicht und grandios illustriert von Ulf K.
Lokis unglaubliche Abenteuer in der Menschenwelt gehen weiter: Chaos und lautes Lachen beim Lesen sind vorprogrammiert! Gern würde Trickster-Gott Loki wieder in Asgard bei den anderen Göttern leben. Leider sitzt er aber auf der Erde fest - und das ausgerechnet mit Thor. Der ist nicht nur beliebter und sportlicher als Loki, zu allem Überfluss darf er auch noch eine große Geburtstagsparty schmeißen. Unfair! Als nach der Feier Thors Lieblingshammer verschwunden ist, wird Loki schnell zum Hauptverdächtigen. Doch weil er (ausnahmsweise) wirklich unschuldig ist, beginnt er, eigene Ermittlungen anzustellen. Dabei bekommt er es mit fiesen Frostriesen und einem perfiden Racheplan zu tun. Kann er endlich beweisen, dass er die Rückkehr nach Asgard verdient hat?

Louie Stowell, geboren 1978 in London, war Werbetexterin, PR-Agentin, Cartoonistin und Sachbuchautorin, bevor sie sich ganz der Belletristik widmete. Sie liebt Comics, Science-Fiction, Fantasy und alles, was lustig ist. Außerdem hat sie eine Schwäche für Wälder, Stadtfüchse und Mythologie. Zusammen mit ihrer Frau und Hund Buffy lebt sie in London. Nach Loki - Wie man als schlechter Gott ein guter Mensch wird (oder auch nicht) (2023) folgt im Herbst 2023 mit Loki - Warum man als schlechter Gott immer an allem schuld ist (oder auch nicht) der zweite Band der von Ulf K. illustrierten Kinderbuch-Reihe.

Tag 2


Dienstag

LOKIS TUGEND-SCORE (LTS):

50

Dafür, dass du der neuen Schülerin einen Platz angeboten hast.

Das WAR aber auch nett von mir!

Vor der Schule gingen Thor und ich mit Hyrrokkins Hund Bello Gassi.

Als wir unsere Runde machten, liefen wir meiner besten sterblichen Freundin Valerie über den Weg, die sich einen seltsamen schwarzen Helm aufgesetzt hatte.

Bis vor Kurzem hätte ich Thor noch vors Schienbein getreten, wenn er Götter-Angelegenheiten einfach so in der Gegend herumposaunt, aber Valerie kennt die Wahrheit. (Okay — weil ich sie ihr erzählt habe. Aber aus heldenhaften Gründen.)

»Krieg? Nein, ich gehe vor der Schule noch zum Reitstall.« Sie beugte sich näher. »Aber ziehen Götter oft in den Krieg? Darüber würde ich gern mehr erfahren …«

»Warte …« Thor zog seine nervtötend hübsche Stirn in Falten. »Nein! Du weißt bereits viel zu viel, Sterbliche!«

»Aber sie ist keine bloße Sterbliche«, wandte ich ein. »Sie ist Valerie Kerry, beste Freundin des großen Loki!«

Valerie: Ich war noch nie die beste Freundin von jemandem, der auch in der Öffentlichkeit mit mir sprechen würde.

Loki: Ich bin ein großzügiger Gott. Ich werde auch vor anderen mit dir sprechen.

Valerie: Ähm … danke?

»Der Hund hat Fäkalien auf dem Boden hinterlassen. Es ist deine Aufgabe, sie aufzuheben«, sagte Thor und unterbrach damit unseren überaus berührenden Moment wahrer Freundschaft.

Also machte sich Valerie Richtung Reitstall auf, während ich Hundekacke vom Boden aufklaubte — lediglich mit einer Plastiktüte zwischen meiner göttlichen Hand und den Exkrementen. Das Leben der Sterblichen ist wirklich der letzte Dreck.

Später in der Schule plauderte ich in der Pause mit Valerie. Ich hatte gehofft, wir könnten uns ein wenig über meine Großartigkeit austauschen, aber statt mir Fragen über mich zu stellen und gebannt an meinen Lippen zu hängen (wie ich es verdiene), redete sie über ein Mädchen, das sie an diesem Morgen beim Reitstall kennengelernt hatte.

»Sie heißt Georgina, und sie istmega. Sie geht in eine andere Klasse, deshalb kennst du sie nicht. Aber sie reitet schon fast genauso lange wie ich. Auf Außerirdische fährt sie nicht so ab — was echt schade ist —, aber ich mag sie trotzdem total gern. Sie steht aufs Programmieren, und sie istso hübsch, und sie hatecht ein Händchen für Pferde, und sie kann auch Sprünge! Ach ja, und die neue Besitzerin des Reitstalls meinte, so eine gute Reiterin wie Georgina hätte sie seit Jahren nicht gesehen!«

All das stieß Valerie in so atemloser Geschwindigkeit aus, dass ich wirklich Angst bekam, sie würde ersticken. Diese Georgina tat Valerie offensichtlich gar nicht gut.

Loki: So ein gutes Händchen für Pferde wie ich, Loki, hat sie doch garantiert nicht?

»Viel besser!«, sagte Valerie.

»Aber … ichwar selbst mal ein Pferd!«, protestierte ich.

»Nur weil du mal ein Pferdgewesen bist, heißt das noch lange nicht, dass du Pferde gutreiten kannst. Das ist, als würde man sagen, du warst mal eine Kuh und kannst deshalb gut melken.«

(Tatsächlich habe ich acht Jahre lang im Untergrund gelebt und in dieser Zeit professionell Kühe gemolken. Ist eine lange Geschichte. Ich werde sie mal erzählen, wenn ich nicht gerade beweisen muss, dass ich einer mysteriösen Fremden deutlich überlegen bin.)

»Na egal, ich glaube jedenfalls, dass du sie auch total mögen wirst. Sie ist so interessant und witzig und clever«, sagte Valerie.

Und dann redete sie weiter und weiter über diese Georgina. So langsam fühlte ich mich ein wenig unwohl. Würde Valerie jemals zu reden aufhören? Sie ging bereits das Risiko einer ernsthaften Stimmbänderzerrung ein.

Valerie: GeorginaGeorginaGeorginaGeorginaGeorginaGeorgina.

»Und weißt du was?«

»Sie kann auch fliegen und Regenbogen furzen?«, fragte ich giftig.

»Nein! Letztes Jahr war sie auch in der Klasse von Mrs Williams! Wir haben so viel gemeinsam!« Valerie schien hoch erfreut zu sein über diesen Zufall, der eigentlich gar kein Zufall ist, wenn man bedenkt, dass es an unserer Schule nur eine sehr begrenzte Anzahl an Lehrkräften gibt.

Mrs Williams ist unsere Klassenlehrerin. Ich würdige Lehrpersonal nicht gern damit, dass ich es beim Namen nenne, aber widerwillig gebe ich zu, dass ich sie kenne.

Dies war nicht die erfreuliche Unterrichtspause, auf die ich gehofft hatte. Valerie ließ mich für eine bloße Sterbliche im Stich! Dabei ist siemeine Freundin! Das ist wie mit Thors Hammer: Würde den jemand anderer anfassen, wäre es nicht mehrsein Hammer. Diese Georgina betrieb Freundinnen-Diebstahl am helllichten Tag!

Eigentlich wollte ich Folgendes sagen:

Tatsächlich aber sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Ich würde sie gern mal kennenlernen.«

»Ich bin mir sicher, sie würde dich auch gern treffen! Ich habe ihr schon alles von dir erzählt. Also, die Götter-Sache natürlich nicht«, erwiderte Valerie.

Dieser dämliche Schwur vor Odin macht es so viel schwerer, zu zeigen, wie cool ich wirklich bin. (Ich habe einen Schwur geleistet, dass ich meine göttlichen Kräfte Sterblichen gegenüber niemals preisgeben werde. Einmal bin ich zwar damit durchgekommen, diesen Schwur zu brechen, aber ich fürchte, Odin wäre kein weiteres Mal so nachsichtig.)

»Ich bin mir sicher, dass sie dich mögen wird«, fuhr Valerie fort. »Georgina istso nett, die mag jeden.«

Jeden?! Dieses Wort traf mich wie ein Schlag in die Magengrube, und zwar von einer sehr großen und knotigen Riesenkeule. Ich bin nichtjeder! Ich bin anbetungswürdig! Man liebt mich, weil ich fantastisch bin, nicht bloß, weil andere nett sind! Ich brauche von niemandem Mitleid — und auch keine Freunde aus zweiter Hand!

Ich leistete einen stummen Eid:

Statt mich wie sonst in Englisch neben Valerie zu setzen, legte ich mein Federmäppchen nach der Pause also neben Sarah, die Neue. Dies ist ein universelles Zeichen, mit dem sterbliche Kinder signalisieren, dass dieser Platz nun ihnen gehört. Aber nachdem ich mir von vorne ein Blatt Papier geholt hatte, musste ich entsetzt feststellen, dass Sarah mein Mäppchen auf einen anderen Platz gelegt hatte.

Einen Augenblick lang stieg mir Galle in der Kehle hoch. Dann kam mir ein Gedanke: Dass sie meinte,ich sei ihre Freundschaft nicht wert, war überhaupt nicht logisch. Vermutlich hatte sie mein Mäppchen nur aus reiner Bescheidenheit woanders hingelegt. Bestimmt glaubte sie,sie sei es nicht wert, neben jemandem zu sitzen, der so besonders ist wie ich! Also schenkte ich ihr ein verständnisvolles Lächeln und setzte mich trotzdem neben sie.

Offenkundig überwältigt von meiner Großmut, ließ sie sich nach vorn auf ihre Arme fallen und stieß ein lautes Stöhnen aus. Dann richtete sie sich wieder auf und hob die Hand: »Liam versucht ständig, neben mir zu sitzen.«

»Aber ich will doch bloß nett sein!«, warf ich ein.

Trotzdem zwang mich Mrs Williams, zu meinem Platz neben Valerie zurückzukehren. Also setzte ich mich neben die einzige Person, von der ich sicher sein konnte, dass sie mich mit Freude und Dankbarkeit begrüßen würde. Aber als ich Platz nahm, schaute Valerie nicht einmal auf. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Bild eines reitenden Mädchens, das sie gerade zeichnete.

Es war eine sehr gute Zeichnung. Wirklich schade, dass sie am Ende der Stunde zu Boden fiel und die ganze Klasse auf dem Weg nach draußen über sie hinwegtrampelte.

Und warum ist sie zu Boden gefallen?

Ähm …

Das dachte ich mir. Einen Teil der Wahrheit auszulassen, ist...