Wandern als Therapie
EIN DRAMOLETT
Personen
Ein Urologe
Eine Nachtschwester
Ein Nachtportier
Ein russischer Stationsarzt
Schauplatz ist die Kölner Innenstadt und das Siebengebirge bei Bonn, die Zeit Januar 2005.
Warum ist es am Rhein so schön? Unzählige Rheintouristen haben sich diese Frage gestellt, egal ob sie aus England, den USA oder Japan kamen. Ich beantworte die Frage zunächst einmal als Kölner. Am Rhein ist es natürlich wunderwunderschön, weil die tollste Stadt der Welt, ach was, des Universums, am Rhein liegt. Wenn man aber vom schönen Rhein spricht, meint man eigentlich nicht den Rhein bei Köln, sondern das Mittelrheintal zwischen Koblenz und Bingen. Der Mittelrhein ist Weltkulturerbe, womit er genauso bedeutend wie das Bergwerk Rammelsberg in Goslar, die Ruinenstadt Butrint in Albanien und die historische Kartonfabrik von Verla in Finnland ist. Sollte also irgendjemand auf die Idee kommen, das gesamte Tal mit Bürotürmen vollzustellen oder eine sechsspurige Autobahnbrücke über den Rhein zu bauen, dann sind ruckizucki die UNO, die UNICEF, die UNESCO und der CIA zur Stelle, und der Rang des Weltkulturerbes ist dahin.
Vom Schiff und vom Zug aus fand ich das Rheintal immer schon schön. Trotzdem wäre ich nie auf die Idee gekommen, am Rhein zu wandern. Der Rheinhöhenweg verlief auf asphaltierten Wirtschaftswegen weit weg vom Fluss durch viele Dörfer und kleine Städte. Es hatte lange gedauert, bis sich daran etwas änderte. Die regionalen Tourismusverbände und die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen hatten sich zusammengetan und einen gemeinsamen »Qualitätsweg« mit dem griffigen Namen »Rheinsteig« geplant. Im Herbst 2005 sollte der anspruchsvolle Weg offiziell eröffnet werden. »Erlebniswandern pur« versprach man mir und allen anderen ambitionierten Wanderern.
Es war Januar und mitten in der Nacht. Ein abwechselnd drückender und stechender Schmerz fuhr durch meine linke Seite. Ich stand auf, lief auf und ab, aber nichts half. Um vier Uhr bestellte ich ein Taxi zur Uni-Klinik. Noch während der Fahrt wurden die Schmerzen schlimmer, und ich fühlte mich wie eine Gebärende im Endstadium