: Frank Schätzing
: Der Schwarm Roman
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462300260
: 1
: CHF 12.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 1008
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Meer schlägt zurück - in Frank Schätzings meisterhaftem Thriller erwächst der Menschheit eine unvorstellbare Bedrohung aus den Ozeanen. Frank Schätzing inszeniert die weltweite Auflehnung der Natur gegen den Menschen. Ein globales Katastrophenszenario zwischen Norwegen, Kanada, Japan und Deutschland, und ein Roman voller psychologischer und politischer Dramen mit einem atemberaubenden Schluss. Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Ölbohrexperten stoßen in der norwegischen See auf merkwürdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Währenddessen geht mit den Walen entlang der Küste British Columbias eine unheimliche Veränderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schöngeist, glaubt nicht an Zufälle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was löst sie aus? Während die Welt an den Abgrund gerät, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur. Das globale Katastrophenszenario, das Frank Schätzing Schritt für Schritt mit beklemmender Logik entfaltet, ist von erschreckender Wahrscheinlichkeit. Es basiert auf so genauen naturwissenschaftlichen und ökologischen Recherchen, dass dieser Roman weit mehr ist als ein großartig geschriebener, spannungsgeladener Thriller. Das Buch stellt mit großer Dringlichkeit die Frage nach der Rolle des Menschen in der Schöpfung. Mit Der Schwarm, seinem sechsten Buch, hat sich der Kölner Bestsellerautor Frank Schätzing in die erste Reihe großer internationaler Thriller-Autoren geschrieben. Ein seltenes Ereignis in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.

Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, veröffentlichte 1995 den historischen Roman »Tod und Teufel«, der zunächst regional, später bundesweit zum Bestseller avancierte. Nach zwei weiteren Romanen, einem Band mit Erzählungen sowie dem Thriller »Lautlos« erschien im Frühjahr 2004 »Der Schwarm«, der seit Erscheinen eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen Exemplaren erreicht hat und weltweit in 27 Sprachen übersetzt wurde. Es folgten die Bestseller »Limit« (2009), »Breaking News« (2014) und »Die Tyrannei des Schmetterlings« (2018). Auch als Sachbuchautor hat sich Schätzing einen Namen gemacht. 2006 zeichnete Bild der Wissenschaft seine Evolutionsgeschichte »Nachrichten aus einem unbekannten Universum« als bestes Wissenschaftsbuch aus. 2021 gelang ihm mit »Was, wenn wir einfach die Welt retten?« erneut der Sprung in die Sachbuch-Bestsellerliste.Fran Schätzing lebt und arbeitet in Köln. Auszeichnungen2002 KölnLiteraturPreis2004 Corine in der Sparte Belletristik2005 Kurd-Laßwitz-Preis für Der Schwarm als bester Science-Fiction-Roman des JahresDeutscher Science Fiction Preis für Der SchwarmGoldene Feder für Der SchwarmDeutscher Krimi Preis für Der Schwarm2006 Dr. Kurt Neven DuMont Medaille der Westdeutschen Akademie für Kommunikation2007 »Stein im Brett« Preis des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler e.V. (BDG)Premio Bancarella2009 Elisabeth-Mann-Borgese-Meeres reis2011 Deutscher Meerespreis2021 Bayerischer Buchpreis: Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten

4. März


Trondheim, norwegische Küste

Im Grunde war die Stadt viel zu gemütlich für Hochschulen und Forschungszentren. Besonders in Bakklandet oder auf dem Mollenberg wollte sich das Bild einer Technologiemetropole partout nicht einstellen. Inmitten der bunten Idylle aus modernisierten Holzhäusern, Parks und dörflich anmutenden Kirchen, Stelzenbauten am Fluss und pittoresken Hinterhöfen kam jedes Gefühl für Fortschritt abhanden, obschon dieNTNU, Norwegens große technische Universität, gleich um die Ecke lag.

Kaum eine Stadt wob Vergangenes und Kommendes so kongenial ineinander wie Trondheim. Und eben darum schätzte sich Sigur Johanson glücklich, in Mollenbergs zeitentrückter Kirkegata zu wohnen, im Erdgeschoss eines ockerfarbenen Giebeldachhäuschens mit weiß gestrichener Vortreppe und Türsturz, dass es jedem Hollywood-Regisseur die Tränen in die Augen getrieben hätte. Wenngleich er dem Schicksal dafür dankte, ihn der Meeresbiologie verpflichtet zu haben und damit einem der gegenwärtigsten Forschungszweige überhaupt, interessierte ihn das Hier und Jetzt nur sehr bedingt. Johanson war Visionär und wie alle Visionäre dem völlig Neuartigen ebenso zugetan wie vergangenen Idealen. Sein Leben war getragen vom Geiste Jules Vernes. Niemand hatte den heißen Atem des Maschinenzeitalters, erzkonservative Ritterlichkeit und die Lust am Unmöglichen so treffend zu vereinen gewusst wie der große Franzose. Einzig die Gegenwart war eine Schnecke, die auf ihrem Buckel Sachzwänge und Profanitäten mit sich schleppte. Sie fand keinen rechten Platz im Kosmos Sigur Johansons. Er diente ihr, erkannte, was sie von ihm verlangte, bereicherte ihren Fundus und verachtete sie für das, was sie daraus machte.

Als er den Jeep an diesem Spätvormittag über die winterliche Ovre Bakklandet zum Forschungsgelände derNTNU steuerte, den glitzernden Lauf der Nidelva zur Rechten, hatte die Vergangenheit ein ausgedehntes Wochenende lang ihr Recht beansprucht. Er war in den Wäldern gewesen und hatte weit abgelegene Dörfer besucht, an denen die Zeit vorübergegangen war. Im Sommer hätte er dafür den Jaguar genommen, im Kofferraum einen Picknickkorb mit frisch gebackenem Brot, stanniolverpackter Gänseleberpastete vom Feinkosthändler und einer kleinen Flasche Gewürztraminer, bevorzugter Jahrgang 1985. Seit Johanson von Oslo hergezogen war, hatte er sich eine ganze Reihe Plätze zu Eigen gemacht, die nicht von erholungsbedürftigen Trondheimern und Touristen überlaufen wurden. Vor zwei Jahren war er durch Zufall ans Ufer eines versteckten Sees gelangt und dort zu seinem Entzücken auf ein kleines, arg renovierungsbedürftiges Landhaus gestoßen. Den Besitzer ausfindig zu machen, hatte Zeit gekostet – er arbeitete in leitender Position für Norwegens staatliche Erdölförderungsgesellschaft Statoil und lebte mittlerweile in Stavanger –, dafür vollzog sich der Erwerb des Hauses umso schneller. Der Mann war froh, jemanden gefunden zu haben, der es übernahm, und verkaufte es für einen Spottpreis. In den Wochen darauf ließ Johanson die marode Hütte von ein paar illegal eingereisten Russen günstig instand setzen, bis sie seiner Vorstellung jener Refugien entsprach, die Bonvivants des ausgehenden 19. Jahrhunderts als Land- und Lustsitz gedient haben mochten.

Dort, mit Blick auf den See, saß er an langen Sommerabenden auf der Veranda, las die Visionäre unter den Klassikern von Thomas More bis Jonathan Swift und H.G. Wells, hörte Mahler und Sibelius, lauschte dem Klavierspiel Glenn Goulds und Celibidaces Einspielungen der Sinfonien von Bruckner. Er hatte sich eine umfangreiche Bibliothek zugelegt. Ebenso wie seineCDs besaß Johanson auch seine Lieblingsbücher fast sämtlich doppelt. Weder auf das eine noch das andere gedachte er zu verzichten, egal, wo er sich gerade aufhielt.

Johanson steuerte den Wagen das sanft ansteigende Gelände hoch. Vor ihm lag das Hauptgebäude derNTNU, ein gewaltiger, schlossähnlicher Bau aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, überzuckert von Schnee. Dahinter erstreckte sich das eigentliche Universitätsgelände mit seinen Unterrichtsgebäuden und Laboratorien. 10000 Studenten bevölkerten ein Areal, das eine kleine Stadt für sich war. Überall wogte lärmende Geschäftigkeit. Johanson gestattete sich einen Seufzer des Wohlbehagens. Es war wunderbar gewesen am See, einsam und außerordentlich inspirierend. Im vergangenen Sommer hatte er einige Male die Assistentin des Departmentleiters für Kardiologie mitgenommen, eine Bekanntschaft aus gemeinsamen Vortragsreisen. Sie waren ziemlich schnell zur Sache gekommen, aber am Ende des Sommers hatte Johanson die Liaison für beendet erklärt. Er wollte sich nicht binden, zumal er die Realität durchaus einzuschätzen wusste. Er war 56 Jahre alt, sie 30 Jahre jünger. Schön für ein