: Miriam Covi
: Träume in Wildberry Bay Roman
: Heyne
: 9783641306397
: Die Wildberry-Bay-Reihe
: 1
: CHF 10.00
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: Erzählende Literatur
: German
: 544
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wo wilde Beeren wachsen und das Rauschen der Wellen Geschichten erzählt, liegt die Bucht unserer Träume - Willkommen in Wildberry Bay!
Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag überrascht Florentine Schiller ihren Verlobten Jay inflagranti mit seinem Trauzeugen. Erschüttert flieht sie mit Jays Bruder Raven nach Wildberry Bay, um sich von dem Schock zu erholen. Hier haben sie und die beiden Brüder schon als Kinder gemeinsam ihre Ferien verbracht, bis zu einem schicksalshaften Tag, der ihre Familien auseinanderriss. Während Florentine in dem gemütlichen Fischerdorf mit Ravens Hilfe zur Ruhe kommt, wird ihr klar, dass sie und Jay nie mehr als beste Freunde waren. Und sie muss sich fragen, ob sie all die Jahre nicht gesehen hat, was sie Raven bedeutet hat und vielleicht noch immer bedeutet. Doch Raven ist bereits vergeben. Hat ihre Liebe überhaupt noch eine Chance?

Miriam Covi wurde 1979 in Gütersloh geboren und entdeckte schon früh ihre Leidenschaft für zwei Dinge: Schreiben und Reisen. Ihre Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin führte sie 2005 nach New York. Von den USA aus ging es für die Autorin und ihren Mann zunächst nach Berlin und Rom, wo ihre beiden Töchter geboren wurden. Nach vier Jahren in Bangkok lebt die Familie nun in Brandenburg. Zur zweiten Heimat wurde für Miriam Covi allerdings die kanadische Ostküstenprovinz Nova Scotia, in der sie viele Sommer ihrer Kindheit und Jugend verbringen durfte und wo sie heute auch immer wieder Inspiration für neue Romane findet.

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Florentine


Die salzige Seeluft schlägt mir kühl entgegen, als ich das Lighthouse Inn verlasse. Eilig gehe ich die knarzenden Treppenstufen der Veranda hinab und trete auf den Bürgersteig der Küstenstraße. Auf der anderen Straßenseite bleibt eine Gruppe asiatischer Touristen stehen und fängt an, aufgeregt zu tuscheln und auf mich zu zeigen. Handys und Kameras werden gezückt, ich fühle mich wie ein Promi, den die Paparazzi entdeckt haben. Mit einem schiefen Lächeln wende ich mich ab, raffe mein Brautkleid mit beiden Händen hoch und beginne, im Laufschritt den Bürgersteig hinabzueilen. Wohin ich eigentlich will, kann ich nicht sagen. Vor mir erkenne ich das knallrote Holzhaus mit dem Eiscremeschild, vor dem sich eine Schlange aus Wartenden bis auf den Bürgersteig zieht. Da kann ich nicht vorbei, auf keinen Fall.

Was für eine Schnapsidee, hier draußen herumzuirren und meinen Bräutigam zu suchen! Eilig wende ich mich nach links, ich verlasse den Bürgersteig und haste über Gras und vereinzelte glatte Felsplateaus, die es überall im Fischerdorf von Peggy’s Cove gibt. Der Wind zerrt an meinem Schleier, lässt ihn hinter mir wie ein Segel wehen, sich aufblähen, tanzen. Mit den glatten Sohlen meiner Pumps komme ich auf einer abschüssigen Felsplatte beinahe ins Straucheln, schlittere ein paar Schritte mehr, als dass ich laufe, während ich mit meinen Armen rudernd versuche, das Gleichgewicht zu halten. Jetzt bloß nicht mit meinem weißen Kleid stürzen!

Erst als ich einen der hölzernen Piers erreiche, die an mehreren Stellen in die Meeresbucht des Fischerhafens von Peggy’s Cove hineinragen, halte ich an und ringe nach Atem. Die salzige Luft hat meinen flatternden Magen zwar ein wenig beruhigen können, aber dafür rast mein Herz jetzt nervös in meinem Brustkorb. Als der Wind eine Locke aus meiner Frisur zerrt, wird mir klar, dass selbst die Unmengen an Haarspray, in die die Friseurin mich eben eingenebelt hat, nichts gegen die Kräfte der Natur hier am Atlantik werden ausrichten können.

Aber momentan ist es mir völlig egal, ob meine Frisur noch perfekt sitzt oder nicht. Hastig sehe ich auf mein Telefon, beginne mit zittrigen Fingern, Jays Nummer zu wählen. Es klingelt. Es klingelt sehr lange. Aber niemand antwortet. Ich schlucke, beende den Anruf und gehe ein paar Schritte, nicht auf den Pier hinaus, sondern weiter am Ufer entlang, über die flachen Felsen. Vor mir erkenne ich ein paar der typischen Bootshäuser der Fischer von Peggy’s Cove. Sie sind aus Zedernholz gebaut, das mit den Jahren seine charakteristische Graufärbung annimmt, und an ihren Außenwänden trocknen Netze, während sich Berge aus bunten Bojen neben den Eingängen auftürmen. Der Geruch nach Fisch mischt sich mit dem nach Seetang und Ozean, und mein Magen muckt wieder ein wenig auf. Ich bleibe stehen, will nicht noch näher an die Netze und ihren Geruch herangehen. Erneut halte ich mir mein Telefon an mein Ohr, lausche auf das Freizeichen.

Bitte, geh ran, flehe ich Jay im Stillen an. Er wird doch nicht … Er würde mich doch nicht wirklich vor dem Altar – oder vor dem Leuchtturm – sitzen lassen, oder? Das würde Jay doch niemals machen?

Eine Möwe fliegt kreischend vorbei, ich sehe ihr hinterher und will den Anruf erneut mit einem frustrierten Seufzer beenden, als ich etwas höre. »… can’t fight this feeling anymore …«

Das ist Jays Klingelton! Eindeutig – den 80er-Jahre Softrock-Hit vonREO Speedwagon liebt er!

Gedämpft wird der Song zu m