[Menü]
1.
Wie ich auf weitere Andracks stieß, den Traum von einem Hugenottenschloss träumte, eine Berliner Dame verschreckte und warum ich mich dann noch bis auf die Unterhose ausziehen musste
Wenn ich in den vergangenen Jahren von meinem Vorhaben erzählte, Licht ins Dunkel meiner Familiengeschichte zu bringen, schien das jeden zu interessieren. Fast alle sagten, ja, doch, Ahnenforschung, das würde ich auch mal gern machen. Müsste man mal angehen. Wenn man Zeit hat. Nach der Pensionierung oder so, sagen die meisten, ohne zu wissen, wie viele Rentenreformen ihnen noch bevorstehen und ob sie jemals so etwas wie eine Pensionsgrenze erreichen werden.
Ich wollte nicht bis dahin warten, das würde mir definitiv zu lange dauern. Meinen ersten Anlauf hatte ich schon mit 23 Jahren unternommen. Es war der Herbst 1988, ich studierte und ging eines Tages ins Postamt direkt an der Universität. Ein Postamt, wo man sämtliche Telefonbücher der Republik fand. Die neuen Bundesländer gab es natürlich noch nicht, und niemand dachte auch nur im Traum daran, dass es sie jemals geben würde. Ich stand vor über hundert gelben Telefonbüchern in grauen Plastik-Hängeregistern und entschied mich, nur die Telefonbücher der Großstädte durchzusehen. Die Suche war mühsam und ich kam sehr langsam voran. Erfolg hatte ich nur in einem einzigen Buch: In Berlin (West) fand ich sieben Andracks.
Als guter Ermittler wollte ich sofort an den Ort des Geschehens. Und da Ende der Achtziger mein Berufswunsch irgendwo zwischen Steven Spielberg und Alfred Hitchcock angesiedelt war, beschloss ich, zur Berlinale zu fahren, um mir von morgens bis abends Filme anzusehen. Ich glaube, ich habe dann an einem Nachmittag den marokkanischen und den thailändischen Wettbewerbsbeitrag ausgelassen, um mich in eine Berliner Telefonzelle zu stellen. Und zwar in eine Zelle, die über ein intaktes Telefonbuch in einem grauen Hängeregister verfügte. Von denen gab es in Berlin (Weltstadt!) zwei, eines mit den Namen A-K, eines mit den Namen L-Z. Es waren noch richtige Telefonzellen mit den Zellentüren, die sich beim Schließen ins Kreuz drückten und in denen es nach einer Mischung aus kaltem Rauch und ungewaschenem Intimbereich roch. Ich stand also in dieser Westberliner Telefonzelle und rief alle Berliner Andracks an. Ich begann mit einer Dame, deren Vornamen ich vergessen habe, nennen wir sie einmal Elisabeth. Ich wählte Elisabeths Nummer, ich hatte Glück und sie hob ab. Ich nannte meinen Nachnamen und erzählte ihr von meinem Vorhaben, weitere Menschen mit dem gleichen Nachnamen zu kontaktieren. Elisabeth reagierte – für mich verblüffend – total