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Trier, April 1920
Johannas Augen wurden groß, als sie die Herrlichkeiten erblickte, die auf ihrem Bett ausgebreitet waren.
«Für mich?», fragte sie überwältigt. «Das alles?»
Greta, ihre Schwägerin in spe, kicherte vergnügt.
«Mir wäre das Kleid doch viel zu eng. Und in den Girdle mit den Strapsen passt kaum meine Hand.»
«Aber das muss doch ein Vermögen gekostet haben – Greta, du hast eindeutig den Verstand verloren!»
«Papperlapapp! Onkel Jupp ist immer großzügig, weil er Mama und mich unterstützen will. Außerdem gab es in den letzten Kriegsjahren nichts Neues zum Anziehen, und du wirst schließlich nur einmal im Leben großjährig. Da sollst du deine Schönheit ruhig zeigen!»
«Und ich war schon unglücklich, dass Papa eure Verlobung und meine Geburtstagsfeier auf einen Abend zusammengelegt hat. Aber jetzt bin ich glücklich darüber, Greta, so, so glücklich!»
Johanna griff nach der hellen Stola, schlang sie sich um den Hals und tanzte ausgelassen durch ihr Zimmer.
«Da werden sie Augen machen, diese wohlhabenden Schnösel, die Papa eingeladen hat, damit sein Töchterchen bloß nicht als alte Jungfer endet.» Johanna wusste, dass einige der begehrtesten Junggesellen Triers unter den Gästen sein würden, dafür hatte ihr Vater Matthias Fuchs gesorgt: Justus Beck, der Apothekersohn, Olaf Feuerstein, dessen Vater die Maschinenfabrik gehörte, und Peter Resch, der Angeber mit der großen Ziegelei. Sie war stehen geblieben. «Staunen sollen sie, meinetwegen sogar geifern. Mir macht es nämlich Spaß, sie so richtig zappeln zu lassen. Denn soll ich dir ein Geheimnis verraten? Von denen will ich ohnehin keinen.»
«Weil du in einen anderen Mann verliebt bist?», fragte Greta schwärmerisch. «Oder vielleicht sogar schon heimlich versprochen?»
«Vergiss es. Das hieße doch nur, von der väterlichen Bevormundung in die eines Ehemanns überzugehen, und dazu habe ich wenig Lust …»
«Nicht alle Männer sind so, Johanna.» Gretas Gesicht hatte sich leicht gerötet.
Wie ein Sahnebaiser sah sie aus, alles an ihr war hell und blond und weich, nichts Hartes, Sperriges gab es an diesem jungen Frauenkörper, der wie geschaffen für die Mutterschaft schien. Ein üppiger Busen, den das lichtblaue Musselinkleid umspielte, runde Hüften, wohlgeformte Waden, dazu überraschend zarte Hände und Füße – etwas zum Kuscheln, zum Anlehnen, zum Liebhaben. Kein Wunder, dass Johannas Bruder Heinrich der Brauerstochter Greta auf Anhieb verfallen war. Nach seiner Rückkehr aus Köln vor über einem Jahr hatte es für ihn kein anderes Thema mehr gegeben. Eigentlich war er ja im Auftrag der väterlichen Tabakfabrik dorthin gereist, um den Kontakt mit den wichtigsten Gasthäusern und Bierstuben zu intensivieren, doch das trat für ihn rasch in den Hintergrund, so hoffnungslos verliebt war er. Wann immer es ihm möglich war, hatte Heinrich seitdem die quirlige Stadt am Rhein besucht, bei Familie Sünner Kaffee und Likör getrunken und schließlich bei Gretas Onkel Jupp formvollendet um Gretas Hand angehalten.
Das Ja von Jupp Sünner, seit dem frühen Tod seines Bruders Ersatzvater für Greta, war prompt erfolgt,