: Felix Bonke
: Die Tochter der Patientin
: hockebooks: e-book first
: 9783957512093
: 1
: CHF 8,00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 400
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eigentlich hatte Niklas nicht vor, Arzt zu werden. Im harten Klinikalltag als Assistenzarzt droht er oft genug zu scheitern. Bis die Begegnung mit einer Patientin sein Leben verändert. Melanie Hoffmann leidet an einer unheilbaren Krankheit. Der junge Arzt und die Patientin fassen Vertrauen zueinander, für keinen der beiden eine uneigennützige Angelegenheit: Paulina, die Tochter der Patientin, gehört für Niklas zu den Frauen, die bisher außerhalb seiner Reichweite lagen. Für Melanie Hoffmann hingegen stellt Niklas einen letzten Versuch dar, das kaputte Verhältnis zu ihrer Tochter zu kitten. Denn Paulina wuchs ohne ihre Mutter in Chile auf. Und Melanie Hoffmann hütet ein dunkles Geheimnis aus der Zeit der chilenischen Diktatur. Je tiefer Niklas in die Familiengeschichte hineingezogen wird, desto mehr muss er sich entscheiden, zu welchem Menschen er selbst werden will.

XI.


Als Erstes vernahm ich einen schrillen Ton, dann spürte ich einen Schlag auf den Kopf. Ich versuchte mich zu orientieren. Es war stockfinster und ich lag rücklings neben meinem Bett. Mein Schädel schmerzte. Erneut der schrille Ton. Ich richtete mich auf. Allmählich dämmerte es mir. Das Klingeln meines Handys hatte mich aus dem Tiefschlaf gerissen. Hektisch war ich aufgefahren, hatte in sprichwörtlicher Umnachtung meine Position im Raum verkannt, war an der Bettkante abgeglitten und mit dem Kopf an mein Nachtkästchen gedonnert.

Ich griff nach dem Handy, das noch immer penetrant läutete. Die Nummer war unbekannt. Ich erwog, auf »Ablehnen« zu drücken. Es war zwei Uhr vierzehn, und schließlich war ich nicht die Telefonseelsorge. Was aber, wenn irgendetwas Schlimmes vorgefallen war? Warum sonst würde jemand mich zu solch einer Unzeit kontaktieren? Nun ja – ein Grund mehr, nicht abzuheben. Ich hatte schon genug Ärger an der Backe. Es reichte ja, wenn ich morgen davon erfuhr.

Das Klingeln verstummte. Ich starrte kurz auf das Display und drückte dann auf Rückruf.

»Niklas?«

»Ja. Und mit wem spreche ich bitte?«

»Paulina Hoffmann.«

Mein Gehirn war noch längst nicht ausreichend durchblutet, um die nun fälligen tausend Gedanken abzuspulen.

»Paulina? Ernsthaft? Du weißt schon, dass es viertel nach zwei Uhr morgens ist?«

»In Santiago ist es erst kurz nach neun Uhr abends.«

»Du rufst aus Santiago an?«

»Nein, aus München. Aber mein Biorhythmus arbeitet noch immer chilenisch.«

»Und dir ist nicht zufällig der Gedanke gekommen, dass hier um diese Zeit deutsch geschlafen wird?«

»Doch, aber ich dachte, ich rufe trotzdem an.«

»Und was hast du mir nun so Wichtiges mitzuteilen?«

»Du hast vorgeschlagen, dass wir uns treffen. Und ich frage jetzt, wann und wo.«

Ich merkte, wie Blut an meiner rechten Schläfe herunterrann. Mühsam stand ich auf und stolperte in Richtung Küche, um mich mit Haushaltspapier zu versorgen.

»Niklas?«

»Ja, hier.«

»Also?«

»Wie wär’s in zwanzig Minuten unter der Reichenbachbrücke? Du, ich und eine Flasche Danziger Goldwasser …«

»Von mir aus.«

Die Schwellung am Kopf war größer, als ich gedacht hatte. Ich ging zum Gefrierfach, nahm einen Kühlakku heraus und presste ihn mir auf die Schläfe.

»Das war doch nicht ernst gemeint! Langsam glaube ich wirklich, dass du komplett geistesgestört bist. Ich hätte dich schon nach deiner E-Mail zwangseinweisen lassen sollen. Stattdessen schreibe ich brav zurück und warte wochenlang auf Antwort, aber du …« Ich hielt inne. Wenn ich in meinem jetzigen Zustand nicht aufpasste, steuerte ich direkt auf eine emotionale Kernschmelze zu. »Hör zu, Paulina, ich hab jetzt wirklich keinen Nerv. Ich ruf dich morgen an, dann können wir alles besprechen. Ciao!«

Ich ließ mich am Kühlschrank zu Boden sinken. Hinter meinen Augen pochte es wie ein Presslufthammer, mein Schlafanzugsoberteil war völlig mit Blut besudelt. Noch immer g