Josef Popp wusste nichts von Bioflavonoiden und Saponinen. Nichts von Wirkprofilen und additiven Effekten bei Vielstoffgemischen. Er wusste erst recht nichts über Iridoidglykoside1, die Hemmung des entzündungsrelevanten Enzyms Cyclooxygenase-22 oder den Entzündungsbotenstoff TNF-α3. Auch den Begriff mukoziliäre Clearance4 hatte er nie gehört.
Er hätte sich niemals im Leben vorstellen können, dass renommierte Ärzte und Wissenschaftler wie André Gessner, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Regensburg, über sein Arzneimittel einmal sagen würden: »Insgesamt ist das Phytotherapeutikum in der Lage, durch eine erfolgreiche Eindämmung der viral bedingten Entzündungsreaktion auch das Risiko für eine bakterielle Superinfektion zu minimieren.«
Wie auch? Popp war weder Arzt noch Chemiker. Eine ambitionierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit pflanzlichen Arzneimitteln gab es zu seiner Zeit nicht. Erst recht keine Hochleistungsflüssigkeitschromatografie, noch nicht einmal Computer. Josef Popp hatte mit alldem nichts zu tun.
Ich Unterzeichneter wurde am 19. Januar 1889 als Sohn der Buchhalterseheleute Christoph und Henriette Popp zu Forchheim in Oberfranken geboren. Meine Kinderjahre verlebte ich dortselbst unter der sorglichen Obhut meiner Eltern.
So beginnt Josef Popps Lebenslauf, den er vermutlich 1911 während eines Militärdienstes verfasst. Bis dahin hat er Volksschule, Schlosserlehre und eine Baugewerbeschule für Maschinenbau durchlaufen. Auch ein Praktikum bei den Siemens-Schuckertwerken in Nürnberg und eine Zusatzausbildung als Elektriker sowie Montageerfahrungen werden angeführt.
Was ansonsten überliefert ist, basiert hauptsächlich auf den Erzählungen seiner Kinder. Sohn Hans-Oskar berichtet, dass der Vater mit einer Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg nach Hause gekommen war. Da ihm Ärzte bei der Linderung seiner Schmerzen nicht helfen können, sucht Popp Heilpraktiker auf, die ihm Kräutertees verschreiben. So entsteht das Interesse für Heilpflanzen. Außerdem lässt er sich mit homöopathischen Globuli der Regensburger Firma ISO5 behandeln. Von ISO erhält er dasHomöopathische Arzneibuch von Theodor Krauß6 und Tafeln zur Beschreibung der Iris – der Regenbogenhaut des Auges – mit daraus abzuleitenden Krankheiten.
Popp arbeitet inzwischen als Maschinenbauingenieur bei MAN in Nürnberg. Fasziniert von der Homöopathie, beginnt er in seiner Freizeit, Freunde und Bekannte mittels Augendiagnose zu behandeln und ISO-Globuli zu verordnen. Popp hat damit großen Erfolg. Der Kundenkreis wächst rapide. Irgendwann arbeitet er unablässig. Tagsüber bei MAN, nach Feierabend un