Einleitung: Wenn nicht ich, wer dann?
Die Frage nach dem Glück wird vermutlich gestellt, seit es Menschen gibt. Was ist Glück? Wie lebt man ein glückliches Leben? Wie schafft man es, das Glück zu finden und dann auch nicht mehr zu verlieren? So viele große Denker haben sich schon mit diesem Thema beschäftigt, haben auch durchaus Antworten und Glücksrezepte gefunden. Aber leider widersprechen sich diese oft nicht nur gegenseitig, sondern bieten dann eben doch nicht den Königsweg zur Glückseligkeit. Auch im21. Jahrhundert geht die Suche nach dem Glück deshalb unvermindert weiter – zumal in Deutschland, wo materieller Wohlstand, wie mir scheint, häufig mit Pessimismus und spiritueller Armut einhergeht.
Ich habe mir nicht vorgenommen, in diesem Buch endgültige Antworten zu geben. Woran so viele bereits gescheitert sind, das wird ganz sicher auch mir nicht gelingen. Doch ich möchte zumindest eine Art Kompass entwerfen, der dorthin weist, wo meiner Meinung nach das Glück verborgen sein könnte. Ausgangspunkt werden dabei meine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen sein. Ich möchte aus meinem Leben erzählen, von meiner ganz persönlichen Suche nach dem Glück, die mich schließlich bis nach Japan geführt hat. Aber ich möchte auch allgemeine Überlegungen zum Wesen des Glücks und zu unserer Sehnsucht, es zu finden, anstellen. Letztlich haben sowohl die autobiografischen als auch die eher theoretischen Kapitel dasselbe Ziel: Sie sollen zeigen, dass das Glück niemals fern ist, sondern dass wir es oft längst schon in unseren Händen halten, ohne uns dessen bewusst zu sein.
Ich war sieben Jahre alt, als meine Mutter starb. Fortan verbrachte ich sehr viel Zeit allein. Ich begann zu grübeln und hörte viele Jahre nicht mehr damit auf. Die Fragen, die ich mir stellte, waren stets dieselben: Warum leben wir überhaupt, wenn wir doch alle sowieso sterben müssen? Wozu all die Anstrengung in der Schule, wozu die Hektik bei der Arbeit, wozu eine Familie gründen? Ist im Angesicht des Todes nicht sowieso alles sinnlos? Antworten erhielt ich weder von meinem Vater noch von meinen Lehrern. Die vertrösteten mich nur: »Irgendwann wirst du das schon verstehen, du kleiner Philosoph.«
Ich wurde den Verdacht nicht los, dass die Erwachsenen selbst vollkommen im Dunkeln tappten. Also dachte ich auf eigene Faust weiter. Wenn das Leben überhaupt einen Sinn haben soll, überlegte ich, dann kann der eigentlich nur darin bestehen, so viel Spaß wie möglich zu haben, ehe alles vorbei ist. Andererseits schien auf jedes noch so kleine Vergnügen eine neue Welle von Überdruss und Langeweile zu folgen, die die kurzen Augenblicke des Glücks und der Zufriedenheit einfach mit sich riss. Jeder Tag kam mir wie eine Ewigkeit vor, mein Leben erschien mir trist und freudlos. In der Pubertät dachte ich oft daran, mir das Leben zu nehmen. Schon der Gedanke, dass mir dieser Ausweg immer offenstehen würde, hatte etwas Tröstliches, wenn ich insgeheim auch wusste, dass ich niemals den Mut aufbringen würde, meine düsteren Pläne in die Tat umzusetzen. Zum Glück.
Mit sechzehn kam ich ins Internat. Einer der Lehrer dort leitete einen Meditationskurs »im Stil des Zen«, wie es hieß. Er lud auch mich ein, daran teilzunehmen. Ich hatte kein sonderliches Interesse daran. Fernöstliche Spiritualität genoss bei mir nicht gerade den besten Ruf. Ich hatte von einem Bhagwan in Indien gehört, der stets mit einem Rolls-Royce durch die Gegend fuhr. Das schien mir auf keine sehr erleuchtete Einstellung hinzuweisen. Also sagte ich ab, doch der Lehrer ließ nicht locker. Zwei Wochen später kam er wieder auf mich zu: »Willst du es denn nicht doch einmal ausprobieren?« Langsam roch es nach Sekte. Als ich erneut bekundete, kein Interesse zu haben, blieb er hartnäckig: »Wenn du es noch nie versucht hast, woher willst du dann wissen, dass es dich nicht interessiert?« Dieses A