: Hannah Luis
: Bretonischer Zitronenzauber Roman - Mit leckeren Rezepten zum Nachbacken
: Heyne
: 9783641266158
: 1
: CHF 8.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 480
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Geheimnis eines alten Kuchenrezeptes und der Zauber der Bretagne
Wenn Mona an ihre verstorbene Großmutter denkt, ist es noch immer, als läge der Duft von frisch gebackenem Kuchen in der Luft. In Oma Josefines Nachlass findet sie ein Rezept für eine ganz besondere Zitronentorte von ihrer Urgroßmutter Helene. Auf der Rückseite des vergilbten Papiers: eine Liste mit Mädchennamen - darunter auch Josefine - und der Hinweis auf eine Pension in der Bretagne. Könnte das endlich eine Spur zu ihrem unbekannten Urgroßvater sein? Spontan macht sich Mona mit Hund Flint auf nach Frankreich, um das Rätsel zu lösen. Umgeben von Crêpes, Tartes und Cidre wandelt sie auf den Spuren von Helene und sucht nach dem Ursprung des Rezepts. An der malerischen bretonischen Küste, wo die raue Brandung auf zerklüftete Felsen trifft, verliebt sie sich schließlich nicht nur in die wilde Landschaft ...

Hannah Luis studierte Skandinavistik, Publizistik und Sozialanthropologie in Bochum und Kopenhagen. Nach verschiedenen Stationen in Australien, England und der Schweiz kehrte sie nach Deutschland zurück. Heute lebt und schreibt sie in Essen, aber es zieht sie noch immer regelmäßig in die Ferne. Sie liebt es, Rezepte aus anderen Ländern mitzubringen und zu Hause auszuprobieren.

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Das Blech mit dem Bienenstich sah seltsam aus zwischen all den Grabsteinen. Zartgelbe Creme und golden geröstete Mandelblättchen neben Moos und Flechten auf einem Untergrund in zahlreichen Grautönen. Schnurgerade geschnittene, köstliche Quadrate neben Engelstatuen mit gefalteten Händen und Kreuzen aus Marmor. Oma Fines Backclub hatte ganze Arbeit geleistet.

Mona schnupperte verhalten. Das süßzuckerige Aroma breitete sich in der Wärme der Maisonne aus, mischte sich mit dem Duft der Lilien und Chrysanthemen und sorgte für den einen oder anderen Seitenblick aus den Reihen der Trauergemeinde.

»Ach Mann, ach Mann«, murmelte Anneliese Rumborg neben ihr – sie war es nicht gewohnt, Gebäck nur anzustarren und nicht essen zu können. Vielleicht trauerte sie aber auch gerade einfach nur laut, da der Duft Erinnerungen in ihr weckte. Zumindest war es bei Mona so. Sie hätte nur die Augen schließen müssen, um sich in Oma Fines Küche wiederzufinden, direkt an dem großen Eichentisch, dem Herzstück des Raumes. Dort hatten sie so oft gesessen, gelacht, Karten gespielt … und Mona hatte dort backen gelernt. Einzelne Zutaten in kleine Wunderwerke verwandelt, die nicht nur schmeckten, sondern auch Seelen wärmten. Fast konnte sie die Hitze des Herdes auf ihrer Haut spüren – ihre Oma hatte es nie übers Herz gebracht, den alten Kohleofen hinauszuwerfen, selbst als sein Elektro-Gegenstück bei ihr eingezogen war.

Mona lächelte bei dem Gedanken, und es war ein merkwürdiges Gefühl, da gleichzeitig ihre Augen brannten. Sie vermisste ihre Oma so sehr!

Rasch blickte sie zum Pfarrer, um sich abzulenken. Sogar der schaffte es nicht, den Bienenstich zu ignorieren. Seine Stimme verlor stets an Kraft oder Tempo, wenn er zum Blech blinzelte, und die Botschaft in seinem Blick war deutlich: Kuchen gehörte zum Leichenschmaus, nicht auf den Friedhof. Aber er war zu rücksichtsvoll, um die Trauergemeinde, in der es hier und dort verhalten schluchzte, deshalb zu rügen.

Mona entfernte einen verirrten Grashalm von ihrer Strumpfhose und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, woraufhin Frau Rumborg ihr die Schulter tätschelte. »Ist schon gut, Mädchen, ist schon gut.« Dann starrte die energische Frau mit durchgestrecktem Rücken und ernstem Blick in den Himmel, als kämen die Worte des Pfarrers geradewegs von dort. Wahrscheinlicher war allerdings, dass sie ihrer alten Freundin Josefine eine stumme Gardinenpredigt hielt und ihr vorwarf, sich aus dem Staub gemacht und sie hier unten auf der Erde mit allem Drum und Dran alleingelassen zu haben.

Es tat gut, Frau Rumborg neben sich zu wissen, rundlich und in ihren Gummistiefeln unerschütterlich wie immer. Sie wohnte im Haus direkt neben Oma Fine. Es war orangefarben gestrichen, und durch die davor gestapelten, alten Blumentöpfe und Gartengeräte erinnerte es ein wenig an eine winzige Villa Kunterbunt. Jeden Tag um Punkt vier Uhr war Frau Rumborg zum Kaffee erschienen. An Monas anderer Seite stand ihre Mutter, die in ihrem Hosenanzug und mit den im Nacken zu einem Knoten zusammengebundenen, hellen Haaren ungewohnt streng aussah. Sie kämpfte mit einem Taschentuch und blickte wie hypnotisiert auf die Schleife des Kranzes vor sich.

Deine Schritte sind verstummt, doch die Spuren deines Lebens bleiben.

Hier würde bald der so vertraute Name auf einem Grabstein prangen: Josefine Wiedmann. Geboren 1932, gestorben … viel zu früh. Allzu viele sic