: Robert Merle
: Die geschützten Männer Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841201850
: 1
: CHF 8.00
:
: Science Fiction
: German
: 368
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF

Eine verheerende Epidemie rafft in den USA die männliche Bevölkerung im zeugungsfähigen Alter dahin. In panischer Angst vor dem Virus lassen viele Männer sich kastrieren. Eine kontrasexuelle Gesellschaft etabliert sich gegen die alte. Phallokratische, und fanatisierte Frauenrechtlerinnen reißen die politische wie die ökonomische Macht an sich.

Fernab dieser aus den Fugen geratenen Welt, in den Wäldern des Vermont, wird eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern als 'protected men' in strenger Isolation gehalten, unter ihnen der Neurologe Ralph Martinelli mit seinem elfjährigen Sohn. Im Auftrag der Konzernherrin Hilda Helsingforth arbeitet er an der Erforschung eines Serums gegen die tödliche Enzephalitis - rechtlos, als 'Phallokrat' verachtet, von Milizionärinnen, Laborantinnen, Kastraten bespitzelt und mit Abhörgeräten rund um die Uhr überwacht. Bis er eines Tages erfährt, daß sein Tod programmiert ist und das rettende Serum vernichtet werden soll. Aber auch unter seinen eiskalten Bewacherinnen ist entgegen allem Anschein die Liebe nicht tot. Burage, seine ärgste Kontrahentin, erliegt Martinellis italienischem Charme und versucht ihn zu retten...

In souveränem Umgang mit allen Registern des Genres, dazu seiner unnachahmlichen Ironie, hat Robert Merle hier einen seiner geistvollsten und spannendsten Romane geschrieben.



Robert Merle wurde 1908 in Tébessa in Algerien geboren. Nach Schule und Studium in Frankreich war er von 1940 bis 1943 in deutscher Kriegsgefangenschaft. 1949 erhielt er den Prix Goncourt für seinen ersten Roman 'Wochenende in Zuydcoote', 1952 gelang ihm ein weltweiter Erfolg mit 'Der Tod ist mein Beruf'. Robert Merle starb im März 2004 in seinem Haus in Montfort-l'Amaury in der Nähe von Paris.

ACHTES KAPITEL (S. 171-172)

Anita verläßt mich Donnerstag um sechs Uhr morgens, als ich noch schlafe. Beim zweiten Sirenengeheul, um acht Uhr, bin ich im Labor. Und dort tritt ein Ereignis ein, dessen Bedeutung ich ahne, ohne seine Tragweite ganz zu erfassen. Ich finde folgende Nachricht auf meinem Schreibtisch: ACHTUNG. HEUTE FRÜH ZWISCHEN 7.25 UHR UND 7.30 UHR IST DIE ABHÖRANLAGE IN IHREM ZIMMERÜBERPRÜFT ODER VERÄNDERT WORDEN. VERBRENNEN SIE DIESEN ZETTEL.
DER IGEL

Die Nachricht ist in großen Druckbuchstaben geschrieben, aber ich kann mir sofort denken, wer der Verfasser ist. Ich gebe Burage in unseren Streitereien den Spitznamen»der Igel«. Burages Zimmer in der Baracke der alleinstehenden Frauen liegt meinem Zimmer gegenüber. Da ich an diesem Morgen früher als gewöhnlich fertig war, habe ich meine Wohnung um sieben Uhr zwanzig verlassen.

Ich habe mir die Zeit gemerkt, weil ich meiner gewohnten Zeiteinteilung voraus war. Irgend jemand muß das dem Techniker– oder der Technikerin– des Abhördientes sofort, nachdem ich meine Unterkunft verlassen hatte, gemeldet haben. Burage hat von ihrem Fenster aus seine Ankunft beobachtet und aus der Dauer seines Aufenthalts in meinem Zimmer Rückschlüsse auf die Tätigkeit des Technikers und deren Umfang gezogen. Offenbar war es nur eine Kleinigkeit gewesen, denn es dauerte ganze fünf Minuten. Und weil ich dazu aufgefordert werde, will ich mich mit aller gegebenen Vorsichtüberzeugen. Was den Schlüssel zu meiner Unterkunft betrifft, ist die Sache klar: Die Reinigungskräfte haben einen zweiten.

Wenn diese Warnung wirklich von Burage stammt, habe ich für den Hergang eine einleuchtende Erklärung. Burage hat einen Schlüssel zu meinem Arbeitszimmer im Labor. Sie ist einige Minuten nach mir in die Cafeteria gekommen und muß offensichtlich eher weggegangen sein, um die Warnung zu schreiben, sie auf meinen Schreibtisch zu legen und die Tür wieder abzuschließen. Eins wundert mich daran: warum hat sie mir geschrieben, anstatt mit mir zu sprechen?

Wegen der Abhöranlage in meinem Arbeitszimmer? Burage schien sich davon niemals einschüchtern zu lassen. Wenn sie Streit mit mir sucht, verhehlt sie in keiner Weise die persönliche Note, die sie in unsere Beziehungen hineingetragen hat. Wenn Burage– vorausgesetzt sie war es– ein Risiko eingegangen ist, um mich zu warnen, so ist das ein begrenztes Risiko. Es vergingen auf jeden Fall nur wenige Minuten zwischen ihrer Ankunft im Labor und meinem Eintreffen; von ihrem Arbeitszimmer aus konnte sie meine Tür beobachten, um sicher zu sein, daß keine dritte Person einen weiteren Schlüssel besitzt, was imübrigen kaum wahrscheinlich ist. Bleibt der Beweggrund: warum verrät Burage, die sich im Labor wie eine Vertrauensperson der Machthaber von Blueville aufführt, ihre Chefs, um mich zu warnen? Die leichteste, romantischste und klischeehafteste Antwort ist, daß sie mich liebt. Ich bin nicht so eitel, es wirklich zu glauben. Ich weiß, daß Burage mir ein gewisses Interesse entgegenbringt. Aber ich bin sicher, es ist nicht so stark, daß sie deswegen die Fronten wechselt. Das ist nicht ihre Art. Keineswegs. Ich weiß nicht, wie ich diese Vermutung rechtfertigen soll, doch ich spüre, daß sie mit ihrer ganzen Person hinter den Dingen steht, zu denen sie sich bekennt.
ERSTES KAPITEL6
ZWEITES KAPITEL34
DRITTES KAPITEL54
VIERTES KAPITEL78
FÜNFTES KAPITEL99
SECHSTES KAPITEL124
SIEBENTES KAPITEL148
ACHTES KAPITEL172
NEUNTES KAPITEL192
ZEHNTES KAPITEL207
ELFTES KAPITEL226
ZWÖLFTES KAPITEL245
DREIZEHNTES KAPITEL275
VIERZEHNTES KAPITEL295
FÜNFZEHNTES KAPITEL312
SECHZEHNTES KAPITEL331