: Lurleen Kleinewig
: Silberstrandsommer Ein Ostsee-Roman
: Zeilenfluss
: 9783967141429
: 1
: CHF 4.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 344
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bist du bereit, dich für das Unvorhersehbare zu öffnen, wenn die Zukunft anklopft? Die 31-jährige Jula wurde nicht nur von ihrem Lebensgefährten, sondern auch vom Glück verlassen. Also packt die neuerdings arbeitslose alleinerziehende Mutter ihren VW-Bus und fährt mit ihrem 9-jährigen Sohn Henri an die Ostsee, um einen Neuanfang zu wagen. Auf einem Campingplatz auf der Insel Fährlangen, der dem charismatischen Dänen Bo gehört, schlägt Jula ihre Zelte auf. Bei Bo findet sie nicht nur Unterkunft und Arbeit, sondern vor allem aufrichtige Zuneigung. Aber Julas schmerzliche Erfahrungen haben sich tief in ihre Seele eingebrannt. Es gilt nicht nur ihr eigenes Herz vor einer erneuten Enttäuschung zu bewahren, sondern auch das ihres Sohnes. Und so trifft Jula eine folgenschwere Entscheidung. Doch Henri ist damit mehr als unzufrieden und setzt alles daran, seiner Mutter zu trotzen, die nicht ahnt, dass ein weiteres Unglück bereits seinen Lauf nimmt ...

1


 

 

»Ach, komm schon, Jula, jetzt mach keine Szene. Du hast doch selbst gemerkt, dass die Luft raus ist.« Gero sah sie Beifall heischend an, als erwartete er auch noch Zustimmung von ihr.

Sie standen sich in der schäbigen, aber gemütlichen Küche ihrer gemeinsamen Wohnung gegenüber wie Schauspieler in einer Theateraufführung. Nur dass das Stück in diesem Fall einer billigen Schmierenkomödie glich, randvoll mit Klischees und abgedroschenen Phrasen.

Jula war wie erstarrt. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Ihr Herz machte einen Satz bis in den Hals hinauf, steckte kurz fest und rutschte dann wieder in ihre Brust zurück, um dort wild gegen ihre Rippen zu hämmern. Ihre Stimme überschlug sich fast.

»Ich soll keine Szene machen? Du eröffnest mir, dass du mich nach sieben Jahren Beziehung gegen eine deiner … deiner Trällertussis eintauschst, und ich soll mich hinsetzen und mir die Nägel lackieren, oder wie? Schon klar. Meine Fresse, Gero. Warum rufst du sie nicht gleich an? Dann kann sie herkommen, und wir trinken Sekt und quatschen über deine sexuellen Vorlieben, wie Mädchen das so tun. Vielleicht kann ich von einer Achtzehnjährigen noch was lernen.«

Jetzt wurde sie sarkastisch. Sarkasmus war ihre letzte Zuflucht vor Gebrüll und Tränenflut. Sie stand ganz oben an einem steilen, glitschigen Abhang und geriet allmählich ins Rutschen. Es war ein langer, langer Weg nach unten, und wer wusste, was sie erwartete, wenn sie erst im Tal angekommen war.

»Und im Übrigen«, setzte sie hinzu, mühsam um Fassung und Worte ringend, »habe ichnicht gemerkt, dass die Luft raus ist. Vielleicht war ich zu sehr mit Arbeiten und Geldverdienen beschäftigt, um das mitzukriegen!«

Immerhin hatte Gero den Anstand, ein betretenes Gesicht zu machen. Das mit dem Geldverdienen nahm sie nämlich seit jeher wesentlich ernster als er, und so war sie auch diejenige, die die meisten Rechnungen bezahlte. Während er im Proberaum mit seinen Bandkollegen an neuen Songs tüftelte und seinem großen Traum vom Rockstarleben nachhing, riss sie sich an mindestens sechs Tagen die Woche bei zwei Jobs den Allerwertesten auf. Hätte er an den Wochenenden nicht regelmäßig Auftritte mit einer gut gebuchten Coverband an Land ziehen können, wäre sie mehr oder weniger die Alleinverdienerin in ihrer kleinen Familie gewesen. So konnten sie sich wenigstens die Miete teilen.

Das würde sich jetzt ändern. Gero war so gut wie weg, und sie musste zusehen, dass sie weiterhin den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn Henri bestritt. Bei dem Gedanken daran, wie sie das in Zukunft bewerkstelligen sollte, fiel ihr Magen ins Bodenlose, wie ein Fahrstuhl, dessen Halteseile unvermittelt nachgaben.

»Was ist mit Henri? Hat er jetzt genauso ausgedient wie ich? Wie soll er das begreifen?«

Gero blickte sie herablassend an. »Jula. Ich bin nicht sein Vater.«

Das war der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte. Jula packte den Stuhl, dessen Lehne sie krampfhaft umklammert hatte, und schleuderte ihn in Geros Richtung. »Ach, ist das so? Das fällt dir ja früh ein. Verschwinde bloß zu deiner Bumsbiene, du herztoter Zombie!«, brüllte sie wutentbrannt. Das W