: Gustavo Adolfo Bécquer
: Von Teufeln, Geistern und Dämonen Phantastische Erzählungen
: apebook Verlag
: 9783961305780
: 1
: CHF 0.80
:
: Fantastische Literatur
: German
'Von Teufeln, Geistern und Dämonen' ist eine Sammlung von postromantischen phantastischen Erzählungen, die von Gustavo Adolfo Bécquer verfasst und zwischen 1858 und 1865 veröffentlicht wurden. Diese Erzählungen haben einen intimen Charakter, der die historische Vergangenheit heraufbeschwört, und zeichnen sich durch eine plausible Handlung mit der Einführung pantastischer oder ungewöhnlicher Elemente aus. Hinter Bécquers Werk steht sein Engagement für die Kultur der Vergangenheit, das in den 'Briefen aus meiner Zelle' und in seinen 'Legenden' zum Ausdruck kommt. Hier ist seine innere Welt übervoll, die historische oder legendäre Vergangenheit weckt seine Träume und die Natur schafft eine geheimnisvolle Atmosphäre. Unvergessliche Texte zum Lesen und Vortragen. Bécquer, ob Prosaiker oder Lyriker, ob Dichter oder Prosaist, erweist sich stets als kompletter und zeitloser Künstler. Das Erscheinen seiner phantastischen postromantischen Erzählungen, deren literarische Werte denen seiner Vorgänger und Zeitgenossen deutlich überlegen sind, stellt den Höhepunkt, die Überschreitung und die Vernichtung eines Genres dar. Das literarische Rohmaterial wird von Bécquer nach seinen eigenen ästhetischen Parametern bearbeitet, die ihm das Siegel seines persönlichen Mikrokosmos und den identifizierenden Stempel seiner poetischen Sprache aufdrücken. Illustrierte Ausgabe.

Meister Perez, der Organist


Diese Geschichte hörte ich von der Pförtnerin des Klosters der Heiligen Agnes in Sevilla, als ich im Vorhof auf den Anfang der Hahnenschreimette wartete.

Es ist begreiflich, daß ich danach kaum den Beginn des Amtes abwarten konnte, begierig darauf, ein wirkliches Wunder zu erleben.

Indessen war nichts weniger wunderbar als die Orgel der Heiligen Agnes, nichts alltäglicher als die geschmacklosen Motetten, die uns der Organist an jenem Abend bescherte.

Nach Schluß der Mette konnte ich nicht umhin, die Pförtnerin etwas spöttisch zu fragen:

»Woher kommt es denn, daß die Orgel des Meister Perez jetzt auf einmal so schlecht klingt?«

»Woher?« versetzte die Alte. »Ei, weil es doch gar nicht mehr seine Orgel ist.«

»Nicht mehr seine? Was ist denn aus ihr geworden!«

»Die war so alt und gebrechlich, daß sie schließlich zusammenkrachte – schon vor einer guten Reihe von Jahren.«

»Und die Seele des Organisten?«

»Ist nicht wieder erschienen, seit wir die neue Orgel haben.«

Damit es keinem meiner Leser am Ende dieser Geschichte in den Sinn kommen möge, an mich dieselbe Frage zu richten, erzähle ich schon im voraus, weshalb sich das mächtige Wunder nicht bis auf unsere Tage vererbt hat.

I

»Seht Ihr den mit dem roten Mantel und der weißen Feder auf dem Hut? ... Der so aus schaut, als trüg' er das ganze Gold der indischen Galeonen auf seinem Wams ... Ja, den, der gerade aus der Sänfte steigt ... Er will der Dame da, die eben ihre verlassen hat, die Hand reichen ... Nun kommt er auf uns zu – vier Fackelträger hinter ihm her ...

Das ist der Marques von Moscoso, Liebhaber der verwitweten Gräfin von Villapineda. Bevor er ein Auge auf diese Dame warf, sagt man, habe er um eines sehr reichen Herrn Tochter angehalten ... Der Vater des Fräuleins aber, von dem man erzählt, er sei ein bißchen geizig ... aber halt! da sucht mans Pferd und sitzt darauf! –

Seht Ihr den da, der unter dem St. Philippsbogen durchkommt ... zu Fuß ... das Gesicht im dunklen Mantel versteckt ... nur mit einem einzigen Diener, der eine Laterne trägt ...? jetzt ist er gerade vorm Altarblatt ...

Habt Ihr das leuchtende Ordenskreuz auf seiner Brust bemerkt, als er zum Gruß der Jungfrau sich enthüllte?

Wenn er dies vornehme Abzeichen nicht trüge, könnte man ihn für einen Krämer aus der Schlangenstraße halten ... Das ist also der Vater ... von dem ich soeben sprach ... Seht, wie das Volk ihm Platz macht und ihn grüßt ...

Ganz Sevilla kennt ihn wegen seines ungeheuren Vermögens. Er allein hat mehr Golddukaten in seinem Kasten als unser hoher Herr und König Philipp Soldaten unterhält. Und aus seinen Galeonen ließe sich ein Geschwader zusammensetzen – groß genug, um der Flotte des Großen Türken zu widerstehen.

Da, schaut mal die Gruppe der würdigen Herren da! Das sind die Ritter der Vierundzwanzig. Alle Achtung! Da ist ja auch der Vlämsche, dem die Herren vom Grünen Kreuz wohl jetzt nicht mehr den Handschuh zuwerfen werden ... dank dem Einfluß, den er beim Adel in Madrid hat ... Der kommt doch nur in die Kirche, um Musik zu hören ... Na, wenn dem Meister Perez mit seiner Orgel nicht faustdicke Tränen entlockt, dann kann man wohl mit Sicherheit sagen, daß er seine Seele nicht in seinem Wams hat – sondern im Siedekessel bei Beelzebub ...

Ach, Nachbarin! O je, da sieht's bös aus! Ich hab' so eine Ahnung, als ob es noch was setzen wird. Ich verkrieche mich in die Kirche. Denn, soviel ich sehe, wird's hier noch mehr Hiebe geben als Vaterunser. Guckt doch nur: da um die Ecke des St. Petriplatzes biegen die Leute des Herzogs von Alcalá ... und hinten am Ende der Zofengasse, scheint mir, hab' ich die des Herzogs von Medinasidonia gesehen ...

Hab ich's Euch nicht gesagt?! Schon haben sie sich erblickt und versperren einander den Weg ... Keiner will weichen ... Und das Volk macht sich dünn ... Freilich, die Ministranten, die bei solchen Gelegenheiten von Freund und Feind Keile kriegen, ziehen sich zurück ... selbst der Herr Stadtrichter mit Stock und allem, was er hat, flieht in die Vorhalle ... Und nachher sagen sie, es gibt Gerechtigkeit!