1. KAPITEL
Meine Finger waren Eiszapfen. Rot und so kalt, dass ich sie kaum noch spürte.
Fröstelnd umschloss ich meine Handwärmer, hielt erst die Finger meiner rechten, dann die meiner linken Hand daran. Von meinem Platz am Rand der Eisbahn aus sah ich, wie Sofia einen Doppelaxel landete, als hätte sie statt Sprunggelenken Federn in ihren Füßen, die sie in die Luft katapultierten.
Entschlossen warf ich meinen Handwärmer auf einen der freien Sitzplätze und stieß mich von der Bande ab. Schwarze Strähnen hatten sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst und wehten mir ums Gesicht, als ich mich umsah. Die Fläche vor mir war frei, die anderen mit ihrem eigenen Training beschäftigt.
Ich glitt mit beiden Füßen über das Eis, kreuzte mein linkes vor mein rechtes Bein und sprang ab. Die erste Umdrehung gelang mir zwar, aber ich merkte innerhalb weniger Sekunden, dass mein dreifacher Rittberger – zum hundertsten Mal an diesem Tag – scheitern würde.
Ich stolperte aus dem Sprung und fing mich mit der Hand auf dem Eis ab. Die Hitze in meinen Wangen verriet mir, dass ich vor lauter Wut rot angelaufen sein musste. Natürlich gelang es mir nicht, das wäre auch zu schön gewesen. Zugegeben, ich hatte erst vor gut einem Monat angefangen, eine dritte Umdrehung zum Rittberger hinzuzufügen. Beim Toe Loop und Salchow war es kein Problem gewesen. Nach einiger Übung hatte es gut geklappt, und mittlerweile sprang ich sie sehr gern. Aber der dreifache Rittberger wollte einfach nicht funktionieren.
Ich kannte all meine Fehler, wusste genau, was ich besser machen musste. Aber bisher war es wahrscheinlicher, dass ich mit einer Seite meines Körpers statt mit den Kufen meiner Schlittschuhe auf dem Eis aufkam.
Ich brachte meine Füße unter mich und stand auf. Am liebsten hätte ich den Sprung drei, vier, fünf weitere Male trainiert, doch ich bemerkte, wie die anderen langsam das Eis verließen. Ich glitt zum Ausgang, wo meine Trainerin bereits auf mich wartete.
»Dein Absprung ist sauberer geworden«, kommentierte sie meine kläglich gescheiterten Versuche.
Ihre Aussage als positiven Fortschritt anzunehmen, fiel mir schwer. »Die Landung schaffe ich trotzdem noch nicht.«
»Es ist kein einfacher Sprung«, meinte sie. »Du weißt, dass der nicht über Nacht funktionieren wird.«
Ich wollte etwas erwidern – dagegenhalten, weil ich unendlich frustriert war. Aber ich wusste, dass sie recht hatte, und hielt mich daher zurück.
»Ruh dich heute Abend gut aus. Beim nächsten Mal feilen wir an deinen Pirouetten«, sagte sie.
Ich nickte als Antwort. Nachdem ich meine Handwärmer eingesammelt und mein türkisgrünes Paar Kufenschoner auf die Schlittschuhe geschoben hatte, verabschiedete ich mich und ging zur Umkleide.
Mehrere Dutzend Spinde füllten die rechte Hälfte des Raums aus. Im hinteren Bereich gingen zwei Türen zu den Duschen und Toiletten ab, und rechts von mir gab es eine große offene Fläche, in der sich einige Frauen bereits routiniert dehnten. Ich lief zur hintersten Reihe der Spinde, wo ich meinen aufschloss. Meine Füße protestierten schmerzhaft, als ich meine Schlittschuhe aufschnürte und auszog. Dann suchte ich mir einen freien Platz im offenen Teil des Raums und begann mich zu dehnen.
Auf dem Eis war ich nur auf das nächste Element, den nächsten Sprung konzentriert. Sobal