I
Nie werde ich vergessen, wo ich war und was ich tat, als ich hörte, dass mein Vater gestorben war, dachte ich, als ich durchs Fenster in die schwarze Nacht hinausschaute. Unter mir sah ich eine kleine Ansammlung funkelnder Lichter, die auf menschliche Behausungen hinwiesen, jede mit einem eigenen Leben, einer eigenen Familie und eigenen Freunden …
Was ich alles nicht mehr zu haben glaubte.
Fast war mir, als würde die Welt auf dem Kopf stehen, denn die Lichter da unten wirkten wie weniger leuchtende Abbilder der Sterne über mir. Einer meiner Lehrer an der Kunstakademie hatte mir einmal erklärt, ich würde malen, als könnte ich nicht sehen, was sich vor meiner Nase befinde. Er hatte recht gehabt. Das konnte ich tatsächlich nicht. Die Bilder waren in meinemKopf, nicht in der Realität. Und obwohl sie oft nicht die Form von Tieren, Steinen oder Menschen hatten, mussten sie heraus.
Zum Beispiel das Zeug, das ich von Schrottplätzen in ganz London zusammengesammelt hatte und das jetzt in dem Atelier in meiner Wohnung lag. Ich hatte wochenlang überlegt, wie ich die Teile zusammenfügen würde. Das Ganze war wie ein riesiger Rubik’s Cube aus einem stinkenden Ölbehälter, einer alten Guy-Fawkes-Puppe, einem Reifen und einer verrosteten Spitzhacke. Ich hatte die Einzelteile immer wieder neu kombiniert und war mit dem Ergebnis zufrieden gewesen, bis ich das letzte Stück in die Hand nahm. Wenn ich es zu integrieren versuchte, zerstörte es, egal, wo ich es einfügte, jedes Mal das Gesamtbild.
Ich legte die heiße Stirn an die kühle Fensterscheibe des Flugzeugs, die uns Passagiere vor dem sicheren Tod bewahrte.
Unser Leben hängt an einem seidenen Faden…
»CeCe«, ermahnte ich mich, als ich spürte, wie Panik in mir aufstieg, »du schaffst das ohne sie.«
Ich zwang mich, wieder an Pa Salt zu denken, denn angesichts meiner tief sitzenden Angst vor dem Fliegen fand ich die Erinnerung daran, wie ich von seinem Tod erfahren hatte, merkwürdig tröstlich. Wenn tatsächlich das Schlimmste passierte, das Flugzeug abstürzte und wir alle umkamen, würde er mich vielleicht auf der anderen Seite erwarten. Er hatte die Reise ins Jenseits ja schon hinter sich und sie allein bewältigt, wie es uns allen bevorstand.
Ich hatte gerade meine Jeans angezogen, als meine jüngere Schwester Tiggy anrief, um mir zu sagen, dass Pa Salt gestorben sei. Damals hatte ich kaum etwas von dem, was sie mir erklärte, wirklich begriffen. Mein einziger Gedanke war gewesen, wie ich es Star beibringen konnte, die unseren Vater vergötterte. Ich wusste, dass sie am Boden zerstört sein würde.
Du hast ihn auch vergöttert, CeCe…
Ja, das hatte ich. Da meine Lebensaufgabe darin bestand, meine sensible Schwester zu schützen, die zwar ungefähr drei Monate älter war als ich, für die aber immer ich redete, weil ihr das schwerfiel, hatte ich mein Herz verschlossen, den Reißverschluss der Jeans hochgezogen und war ins Wohnzimmer gegangen, um es ihr zu sagen.
Sie hatte stumm in meinen Armen geweint. Und ich hatte nur mit Mühe selbst die Tränen zurückgehalten. Für sie,