: Thomas Page McBee
: Amateur Mein neues Leben als Mann
: Aufbau Verlag
: 9783841225399
: 1
: CHF 12.20
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Das Buch eines Transmannes über die Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft, das die Debatte unbedingt braucht - und »ein wunderschönes Buch, das einfach jeden berühren wird, der ein besserer Mensch werden möchte.« Elif Shafak.

Thomas Page McBee ist 31 Jahre alt, als er eine Geburtsurkunde erhält, die endlich bestätigt, was er schon lange weiß: er ist keine Frau, er ist ein Mann. Dafür hat er viel Geld ausgegeben und sich operieren lassen, ist vor Gericht gezogen und hat sich wöchentlich Hormone gespritzt. Doch der Tag seiner zweiten Geburt ist nicht das Ende dieser Geschichte. Im Grunde ist es erst der Anfang. Denn er ist zwar jetzt ein Mann, aber er will mehr: er will ein guter Mann sein, ein guter Mensch. Warum er deshalb beschließt, Amateurboxer zu werden, und warum er in Ring und Umkleidekabine ebenso viel lernt wie in Gesprächen mit seinem Bruder, mit Psychologen oder Neurowissenschaftlern, davon erzählt »Amateur«: eine berührende und hellwache Erkundung von Männlichkeit und den ungeschriebenen Gesetzen unserer Gesellschaft.

»Ein ungewöhnlich weises, ein wunderschönes Buch.« A.L. Kennedy.



Thomas Page McBee war »Maskulinitätsexperte« für das Vice Magazin und der erste Transmann, der im Madison Square Garden boxte. Seine Essays und Reportagen erschienen in der New York Times, im Playboy, bei Glamour und Salon. Außerdem ist er Co-Autor der Netflix-Erfolge »The L Word« und »Tales of the City«. @ThomasPageMcBee www.thomaspagemcbee.com Stefanie Frida Lemke, Jahrgang 1977, studierte Anglistik und Germanistik und lebt nach verschiedenen Stationen in der Buchbranche seit 2010 als Literaturübersetzerin in Berlin.

Warum tue ich das?


Warum kämpfen Männer? Warum wollen man che von uns sich ins Gesicht schlagen lassen? Warum wollen andere uns dabei zusehen?

Was macht einen Mann zum Mann?

Als ich mit Testosteron-Spritzen anfing, war ich dreißig und wollte mich endlich schön finden. Mein Werden maß ich in erster Linie in ästhetischer Hinsicht: das T-Shirt, das mir jetzt passte, die Wölbung meines Bizepses, das Sprießen der Bartstoppeln. Ich liebte das Aussehen von Männern, ihren Geruch, die Körperhaltung. Ich liebte ihre Größe und Masse, ihre im Barbershop gestylten Bärte, den breitschultrigen Gang. Ich liebte die stille Effizienz der Herrentoiletten, die unsagbare körperliche Freude, neben meinem Bruder herzulaufen und unsere Schatten auf den Gebäuden zu sehen.

Ich liebte es, ein Mann zu sein, insofern ich es liebte, einen Körper zu haben. Ich hatte mir die Brüste entfernen lassen, ich stach mir jede Woche eine lange Nadel in den Oberschenkel, ich änderte meinen Namen und damit meinen Platz in der Welt – das alles, damit ich mich nicht mehr unter tief in die Stirn gezogenen Baseball-Caps und Kompressionsshirts verstecken musste, sondern einfach mein T-Shirt ausziehen und mich in die Fluten stürzen konnte.

Meine ersten Freuden waren einfach, alltäglich – mich nach dem Duschen abzutrocknen und im beschlagenen Spiegel meine flache Brust zu sehen; wie mir meine Sachen mit den breiteren Schultern und schmaleren Hüften auf einmal passten; die neuen Muskeln, durch die mein Gang breiter, meine Hände, Waden, mein Hals kräftiger wurden. Halbnackt im Badezimmer stehend berührte ich die Vertiefung zwischen meinen Bauchmuskeln und sah, dass der Typ im Spiegel dasselbe machte. Ich drehte mich und er drehte sich. Ich lächelte und er lächelte. Ich straffte die Schultern und er genauso.

Geschichten über trans Menschen, wenn wir sie überhaupt zu hören bekommen, enden oft mit einem solchen glänzenden Symbolismus, der zeigen soll, dass der betreffende Mann oder die Frau die Verwandlung geschafft, die große Aufgabe,endlich er odersie selbst zu sein, bewältigt hat. Selbst wenn das ein schöner Gedanke und auch etwas Wahres dran ist, genau wie eine Schwangerschaft oder eine Nahtoderfahrung krasse Veränderungen mit sich bringen und unsere Tage und Erinnerungen und sogar die Zeit um das Ereignis herum neu sortieren können, endet meine Geschichte damit nicht. Nicht einmal annähernd.

Ich bin Anfänger, ein mit dreißig Jahren geborener Mann, in einem Körper, der etwas übers Menschsein zeigt, worüber selten nachgedacht wird. Laut Untersuchungen erfahren wir bereits in der frühesten Kindheit Geschlechterkonditionierung, so dass wir das Verhältnis von Angeborenem und Anerzogenem, von Biologie und Kultur, Anpassung und Selbstbehauptung nicht verstehen.

Dieses Buch ist ein Versuch, diese Verwicklungen zu entwirren. Beim Schreiben ist es außerdem eine Art persönliche Rückversicherung geworden, ein Verfolgen und Gestalten meiner eigenen Entwicklung in einer Kultur, in der es so viele toxische Männer gibt.

Auch in meiner Familie gibt es eine Tradition toxischer Männlichkeit.

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Die Wirkung meines durch das Testosteron neugeformten Körpers überraschte mich immer wieder: Ich musste keine Angst mehr haben, nachts allein eine dunkle Straße entl