: Tim Pröse
: Jan Fedder - Unsterblich Die autorisierte Biografie
: Heyne
: 9783641256418
: 1
: CHF 8.70
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 256
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die erste und einzige autorisierte Biografie von Jan Fedder - mit unveröffentlichten exklusiven Fotos und Interviews
»Ich habe alles gelebt und erlebt. Ich habe all meine Sehnsüchte gestillt und ich vermisse nichts. Denn was bleibt von einem Menschen? Seine Knochen. Und seine Geschichten.«Jan Fedder

Jan Fedder: direkt, gerade, ehrlich, kein Diplomat, aber mit großem Herzen für die Menschen - so verkörperte er wie kein zweiter DEN Hamburger schlechthin. Er starb am 30. Dezember 2019.
Jan Fedder war nicht nur ein großer Schauspieler, sondern vor allem ein großartiger Mensch, einer von den ganz großen, die es so nie wieder geben wird. Er spielte Dirk Matthies in der ARD Serie »Großstadtrevier«, den Bauern Kurt Brakelmann in »Neues aus Büttenwarder«. Denkwürdige Rollen als Bootsmann Pilgrim im Film »Das Boot« und in den Siegfried-Lenz-Verfilmungen »Der Mann im Strom« und »Das Feuerschiff« zeigen ihn als Darsteller ernsterer Charaktere. Doch bei allen Erfolgen sagte Jan Fedder von sich: »Hauptberuflich bin ich Mensch - im Nebenberuf bin ich Schauspieler.«
Jetzt erzählt Tim Pröse das Leben dieses einzigartigen Mannes. Kurz vor seinem Tod erreichte Jan Fedder das vollendete Manuskript, gespickt mit vielen Zitaten - die autorisierte Biografie, in der Jan Fedder selbst, seine Frau Marion, Freunde und Weggefährten über ihn sprechen, die Geschichte seines Lebens erzählen - in voller Länge, mit all den schönen und jubelnden wie auch mit wehmütigen und traurigen Kapiteln. Aufrecht und geradlinig steht er vor uns! Von einem wie ihm kann man nur lernen...

Tim Pröse, geboren 1970 in Essen, ist Autor und freier Journalist in München. Sein Buch »Jan Fedder - Unsterblich« schaffte es 2021 aus dem Stand heraus auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Darauf folgte 2022 ein weiterer Platz 1 mit »Hans-Erdmann Schönbeck ?... und nie kann ich vergessen?« (»Es lohnt sich zu lesen, für uns alle« heute journal). Tim Pröse studierte Kommunikationswissenschaften, Politik und Psychologie, war Redakteur und Chefreporter, bekam den »Katholischen Medienpreis«, bevor 2016 sein Longseller erschien: »Jahrhundertzeugen. Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler« (FAZ: »Eines der berührendsten Bücher des Jahres«), 2017 folgte »Hallervorden. Ein Komiker macht Ernst«, 2018 »Samstagabendhelden« und 2019 »Mario Adorf. Zugabe!« (ZEITmagazin: »Ein feinfühliges Porträt«). Tim Pröse tourt mit bisher etwa 400 Lesungen durch Deutschland und war an mehr als 180 Schulen zu Gast mit seinen Vorträgen über Sophie Scholl, Oskar Schindler und Claus von Stauffenberg. 2022 erschien »Der Tag, der mein Leben veränderte. Von Menschen, die aus tiefster Krise zu sich fanden« (stern: »Eine Sammlung, die man nicht mehr vergisst«). 2024 kommt »Wir Kinder des 20. Juli. Gegen das Vergessen: Die Töchter und Söhne des Widerstands gegen Hitler erzählen ihre Geschichte« heraus.

Als Kind schon nah an den Wolken

Da ist ein Ring an seiner Hand, der erzählt sehr viel von seinem Leben. Er sagt, woher sein Träger stammt und was ihm fehlt seit Kindesbeinen. Der Ring ist erstaunlich weiblich und zart. Geradezu verletzlich sieht er aus an seiner rechten Hand. In der Mitte ist ein Aquamarin eingefasst, und natürlich war dieser Stein einmal tiefblau. So wie das Meer, auf dem Jans Vorfahren gefahren sind. Aber mit den Jahren, gute fünfzig sind es jetzt, seit er ihn trägt, ist das Blau aus dem Stein gewichen. Mit etwas gutem Willen ist er jetzt noch so brackwasserfarben wie die Elbe im Hafen, an der sein Träger aufgewachsen ist. »Da kannst du mal sehn, wie der gelitten hat, der Stein«, sagt Jan bloß.

Der Ring stammt von seiner Mutter Gisela. Als Jan vierzehn war, bat er sie, ihn tragen zu dürfen, und die Mutter steckte ihn ihrem Sohn an. So zärtlich und innig diese Geste anmutet – leider steht sie symbolisch für das zwiespältige Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. »Viel Liebe habe ich nicht gekriegt von ihr«, sagt Jan und streicht dabei mit dem linken Zeigefinger über den verblichenen Stein. Getrennt hat sich der Sohn niemals von diesem Geschenk. An nichts anderem hängt er so wie an diesem Ring. Erklammert sich an ihn.

Als Wolfgang Petersen beimBoot-Dreh von Jan verlangte, ihn abzunehmen, antwortete der: »Dann mache ich den Film nicht.« Der Regisseur glaubte, sich verhört zu haben, und bestand darauf. »Nee, dann steig ich aus«, sagte er nur. Das beeindruckte Petersen. Denn Quer- und Charakterköpfe suchte er für seinen Jahrhundertfilm. Und so ließ er den Rebellen gewähren. »Aber wenigstens drehst du den Stein zur Handinnenflächenseite!«

Nicht etwa von Jans Vater, sondern von dessen Vorgänger hatte Gisela diesen Ring einst geschenkt bekommen. Einem Amerikaner, mit dem sie Jans Halbbruder Olli bekam. »Für mich war und bleibt er aber mein richtiger Bruder.«

Es fällt Jan nicht leicht, über seine Eltern zu sprechen und über seine Kindheit. Aber der Ring erlaubt den Blick zurück in seine kleine Seele von damals. Ganz langsam öffnet sich sein Träger dafür. Anders klingt er dabei und gar nicht so »Hoppla, jetzt komm ich«-artig wie sonst meist.

Dabei sieht es von weitem betrachtet doch so aus, als hätte Mutter Gisela ihrem Sprössling viel Gutes getan, als sie – die Tänzerin war – ihn zum Ballettunterricht schickte. Damals war das ja noch mehr eine Sensation als heute. Und dann ging er auch noch in den Kirchenchor im Michel.

»Aber das war Vater, der war im Kirchenvorstand und wollte das so«, erinnert er sich. Sieben Jahre lang ging es jeden Dienstag und jeden Freitag zur Probe und sonntags wurde früh aufgestanden, weil um neun schon Einsingen war und um zehn der Gottesdienst. »Das heißt: Ich habe in meiner ganzen Jugend praktisch nie ausgeschlafen. Darum bin ich so ein Schlafmensch geworden und penne so lange. Auf jeden Fall bin ich so zu Gott gekommen. Für mich ist das eine große Selbstverständlichkeit, mit dem lieben Gott zu kommunizieren. Heute. Wie damals.«

Durch das Singen, das er einst so himmlisch beherrschte, ist der kleine Jan auf der Empore des Michel ganz nah an die Wolken gestoßen in seinem Empfinden. »Irgendwie kann man das so sagen. Wir durften ja auch, Gott sei Dank, immer schon vor der Predigt abhauen. Damit wir den Laberscheiß nicht noch hören mussten. Das hat geholfen.«

Gezweifelt hat der junge wie der alte Jan seit dieser Zeit nie an seinem Herrn. »Für mich war immer völlig klar, dass er existiert. Der liebe Gott ist da und der liebe Gott lenkt die Sachen und macht das alles und noch mehr.«

Gab es nicht mal ein Ringen, ein Hadern mit ihm, als er dann als junger Mann so oft mit der Nase im Dreck steckte? »Es konnte mir noch so scheiße gehen, noch so schlecht. Ob ich da lag in meinem Blut und wusste, wenn jetzt nicht bald was passiert, bin ich tot – nie hab ich gesagt: ›Lieber Gott, jetzt komm endlich mal!‹ Das ist immer automatisch passiert, ohne dass ich ihn darum bitten musste.«

Als er nach dem Stimmbruch raus war aus dem Chor, die Lehre als Speditionskaufmann beendet hatte und er zu Hause vor die Tür gesetzt wurde, ging er ans Theater Esslingen. Da war er neunzehn. Wenn er zu Heiligabend wieder heim nach Hamburg fuhr, las er sieben Jahre lang noch die Weihnachtsgeschichte im rappelvollen Michel. Weil sie dort seine Stimme, auch wenn sie jetzt tief und samtig und nicht mehr so engelsgleich tönte, so liebten.

Er trug für diese Auftritte ein grünes Samtjäckchen mit Fliege, darunter ein hellgrünes Hemd und eine schwarze Hose. In diesem schmucken Aufzug steckte dieser langhaarige Hallodri, der nun Schauspieler geworden war. Es war Mitte der Siebziger, die großeRAF-Zeit, und dann tritt da im hochherrschaftlichen Michel so ein fein gemachter Rocker ans Mikrofon. Jedes Mal lag ein Raunen über den Rängen.

Jans Vater Adolf beäugte das misstrauisch. Er war ein ziemlich nüchterner Mann. Schauspie