: Constantin Floros
: Peter Tschaikowsky
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644406056
: 1
: CHF 6.00
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Peter Tschaikowsky (1840-1893) ist bis heute einer der meistgespielten russischen Komponisten. Constantin Floros beschreibt auf der Grundlage neuester Forschungen und Quellenpublikationen die enge Verquickung von Biographie und Werk Tschaikowskys. Und er zeigt die ganze Vielseitigkeit des Musikers, der mit nur 53 Jahren unter noch immer umstrittenen Umständen in St. Petersburg starb.

Constantin Floros, emeritierter Professor für Musikwissenschaft an der Universität Hamburg, entzifferte die ältesten byzantinischen und slawischen Notationen und entwickelte eine Methode musiksemantischer Analyse, die er an zahlreichen Werken exemplifizierte. Die Schwerpunkte seiner Forschungen liegen in der Musik des Mittelalters und der des 18., 19. und 20. Jahrhunderts. Er publizierte mehr als zwanzig Bücher, darunter Monographien über Johannes Brahms, Anton Bruckner, Gustav Mahler (vier Bände), Alban Berg (zwei Bände) und György Ligeti. Zu seinen bedeutendsten Veröffentlichungen gehören die dreibändige «Universale Neumenkunde» (Kassel 1970), ein dreibändiges Standardwerk über Gustav Mahler (Wiesbaden 1977-1985) sowie unter anderem die Bücher «Musik als Botschaft» (Wiesbaden 1989) und «Der Mensch, die Liebe und die Musik» (Zürich / Hamburg 2000). Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Erfurt, der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Präsident der Gustav Mahler Vereinigung Hamburg, Ehrenmitglied mehrerer Institutionen und mehrfacher Ehrendoktor.

Jugend und Studienjahre


Die musikalisch-schöpferische Begabung Peter Iljitsch Tschaikowskys grenzt an ein Wunder. Erklären kann man sie nicht, denn keiner unter seinen Vorfahren hatte eine ausgesprochen musische Veranlagung. Geboren wurde Tschaikowsky am 25. April (7. Mai) 1840 in Wotkinsk, einer Bergbaustadt westlich des Urals, als zweiter Sohn von Ilja Petrowitsch Tschaikowsky und dessen zweiter Ehefrau Alexandra Andrejewna. Wotkinsk lag rund 1300 Kilometer östlich von St. Petersburg, der Hauptstadt des großen Zarenreiches. Um von St. Petersburg nach Wotkinsk mit der Kutsche zu gelangen, brauchte man damals nahezu drei Wochen. In Wotkinsk wirkte Ilja Petrowitsch (1795–1880) als Chefinspektor der Kamsko-Wotkinsker Berg- und Metallwerke. Als solcher verwaltete er auch die ländliche Umgebung. Er wird als herzlich, jovial, großzügig und charmant beschrieben, doch dürfte er nicht besonders ehrgeizig gewesen sein, denn er brachte es innerhalb von zwanzig Jahren nur bis zum Rang eines Oberstleutnants.

Als er seine zweite Frau heiratete, war er 38 Jahre alt. Alexandra Andrejewna, geborene Assier (eigentlich d’Assière, 1813–54), war achtzehn Jahre jünger als er. Sie kam aus St. Petersburg, ihr Großvater stammte aus Frankreich, ihr Vater war Staatsrat. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wurde sie zehn Jahre lang in einem Internat erzogen, wo sie eine gründliche Ausbildung in Rhetorik, Arithmetik, Geographie, Literatur und Sprachen genoss. Sie sprach Französisch und Deutsch, spielte Klavier und sang. Sie scheint introvertiert gewesen zu sein. Auf Daguerreotypien glaubt man zu erkennen, dass sie einen Hang zur Melancholie hatte. Ihr Großvater, Michel Marquis d’Assière, und ihr Vater litten an einer Nervenkrankheit, möglicherweise Epilepsie.

Peter Iljitsch hatte insgesamt sechs Geschwister; vier Brüder – Nikolaj (1838–1911), Ippolit (1843–1927), die Zwillinge Anatol (1850–1915) und Modest (1850–1916) –, eine Schwester namens Alexandra (1842–91) und eine Halbschwester aus der ersten Ehe seines Vaters, Sinaida Iljinitschna (1829–78). Sein ältester Bruder, genannt Kolja, wurde Bergbauingenieur und lebte in Charkow. Er verheiratete sich, blieb aber kinderlos. Tschaikowsky charakterisierte ihn als einenguten Menschen, aber nicht sehr zärtlich. (F66) Ippolit, Kosename Polja, trat 1854 bereits als Elfjähriger in die Marine ein, wurde Offizier und brachte es bis zum Rang eines Admirals. Er war gleichfalls kinderlos verheiratet und zunächst in Odessa, später in Tiflis ansässig, wo Tschaikowsky ihn dann häufiger besuchte. Anatol, genannt Tolja, wurde Staatsanwaltsgehilfe in St. Petersburg. Modest oder Modja hatte wie Peter Iljitsch musische Interessen, liebte Bücher, die bildende Kunst und die Musik, lernte im Ausland Erziehungsmethoden für taubstumme Kinder und versuchte sich auch als Schriftsteller. Eine innige Beziehung hatte Peter Iljitsch zu seiner Schwester Alexandra, genannt Sascha, die 1860 den Gutsbesitzer Lew Wassiljewitsch Dawydow heiratete. Tschaikowsky hielt sich oft und gern auf dessen Gut in Kamenka in der Ukraine auf.

Wesentliche Informationen über die Kindheit von Peter Iljitsch verdanken wir den Erinnerungen seiner französischen Gouvernante Fanny Dürbach. (B18ff.) Sie kam 1844 ins Haus der Familie, um die Kinder zu unterrichten, und blieb dort bis 1848. Von Anfang an spürte sie «eine besondere Zuneigung» zu Peter, «dem jüngsten ihrer Schüler», nicht nur weil er im Unterricht besonders eifrig war, sondern auch, weil «etwas Zauberhaftes» von ihm ausging. S