: P. Walter Jacob
: Jacques Offenbach
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644004269
: 1
: CHF 6.00
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 160
: Wasserzeichen
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: ePUB
Jacques Offenbach (1819-1880) gilt als der Meister der Operette, und für seine Werke hat man eine eigene Wortschöpfung geprägt: die «Offenbachiade». Er war ein Künstler, der den Humor liebte, aber zugleich ein hochpolitischer Zeitgenosse, der dem «Juste Milieu» seiner Epoche den satirischen Spiegel vorhielt. Der in Köln geborene Komponist hat eine Form der höheren Heiterkeit in die Musik gebracht, die bis heute nachwirkt. Werke wie «Orpheus in der Unterwelt», «Perichole», «Die Großherzogin von Gerolstein» und «Hoffmanns Erzählungen» gehören zum Repertoire der Musiktheater in der ganzen Welt und haben ihren Schöpfer unsterblich gemacht.

P. Walter Jacob, 1905-1977. 1921-1928 Ausbildung in Berlin an der Staatlichen Musikhochschule, Max-Reinhardt-Seminar des deutschen Theaters, Universität Berlin. Assistententätigkeit am Stadttheater Berlin (1923-1928). Selbstständige künstlerische Tätigkeit als Oberspielleiter und Dramaturg, als Schauspieler und in fast allen Engagements auch Tätigkeit als Dirigent in Oper, Ballett und Operette an den Theatern der Städte Koblenz, Lübeck, Wuppertal, Essen, am Opernhaus Köln, am Landestheater Dessau und bei Radio Luxembourg. Daneben Aufenthalt in Paris, ausgedehnte Musikstudien, speziell über Offenbach. 1936-1938 Deutsche Bühnen in der Tschechoslowakei. 1940-1950 Direktor der Freien Deutschen Bühne in Buenos Aires. 1950-1962 Generalintendant der Städtischen Bühnen Dortmund (Opern- und Schauspielhaus). Ab1963 freischaffend als Bühnen- und Fernseh-Darsteller. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Theater- und Operngeschichte, zum Werk Richard Wagners; musikschriftstellerische Arbeiten für Musikzeitschriften und Tageszeitungen.

Jüdisches Elternhaus am Rhein


Am 20. Juni 1819 wird dem Synagogenkantor und Musiklehrer Isaac Offenbach in Köln, im Hause Alter Griechenmarkt Nr. 1, von seiner Frau, der geborenen Marianne Rindskopf, der zweite Sohn, das siebte Kind, geschenkt. Der Knabe erhält den Namen Jakob (Jacob). Das Geburtshaus steht nicht sehr weit entfernt von jenem Platz, der heute seinen Namen trägt.

Der Kölner Offenbachplatz mit seinem symbolgeschmückten Brunnen liegt vor dem nach dem Zweiten Weltkrieg neu erbauten Theaterkomplex der Stadt Köln, neben der berühmten Glockengasse, die für die Familie Offenbach eine fast gleich bedeutsame Rolle wie für den internationalen Ruhm der Rheinmetropole spielt. Er zeigt im Straßenschild Namen, Lebensdaten und Beruf des heute vielleicht berühmtesten Kölners an. Jenen Namen, der von 1933 bis 1945 in seiner Heimat nicht genannt werden durfte, den Namen eines Musikers, der alles andere als ein «Klassiker» ist, dessen Bild und Werk heute wie vor fünfzig, vor hundert Jahren umstritten, von den einen hymnisch gelobt, von den anderen eifervoll verdammt wird, dessen Erscheinung, Wirken und Schaffen aber aus dem Europa des 19. und 20. Jahrhunderts nicht wegzudenken ist.

Einen halben Kilometer vom Offenbachplatz an der neuen Kölner Oper entfernt, befindet sich die Straße oder Gasse, in der bis 1870 das Geburtshaus Offenbachs stand. Die Gegend hat sich heute verändert. Kaum zu ahnen, dass dieser Straßenzug ein Teil des Kölner Judenviertels war, in dem das kleine «Jaköble», auch «Köbesche» genannt, Trödlerwagen, Handelslärm, Verkäufergeschrei, das Volkstreiben aufgeregten Marktbetriebes als ersten Jugendeindruck mitbekommt und bewahrt. Diesen Lärm, dieses Gedränge, die Rufe in echt Kölscher Mundart, untermischt mit uraltem Ghetto-Jargon, wird Offenbach ebenso wenig vergessen wie die Musik, die er im vorbildlich bürgerlichen Familienkreis, vor allem von seinem musikbeflissenen Vater, vernimmt. Dieser Vater hat eine lange, nicht leichte Wanderschaft hinter sich. 1779 im kleinen, engen Judenviertel der Stadt Offenbach am Main geboren, trägt er den Namen Isaac Juda Eberst und ist der Sohn eines Synagogensängers und Jahrmarktsmusikanten. In einem jüdischen Druckereibetrieb hat er die Buchbinderei erlernt, aber stärker als diese handwerkliche Ausbildung wirkt sich Liebe zur Musik, eine Naturbegabung zum Singen und Spielen bei ihm aus. Als er zwanzigjährig, elternlos, arm, von schmächtigem Aussehen, die Heimatstadt verlässt, steht in seinem Judenpass, er habe die Absicht, «nach Carlsruhe und weiteres» zu reisen.

Aber Isaac Juda Eberst aus Offenbach schlägt nicht die südliche Route nach Baden ein, sondern wendet sich westwärts, jenen deutschen Gefilden zu, die im Verlauf der Napoleonischen Kriege an Frankreich gekommen sind, in denen die Juden bereits Staatsbürgerrechte besitzen, die ihnen das übrige Deutschland noch vorenthält. Den Rhein entlang zieht Eberst von Synagoge zu Wirtshaus, von Judenschul zu Hochzeitsfeier, am Sabbat die heiligen, alttestamentarischen Gesänge in den Betstuben intonierend, an Sonntagen und zur Feierabendzeit zu Tanz und Volksbelustigung aufspielend. Uralt ist diese Vereinigung des Heiligen und Profanen in der Musikübung der durch Zeiten und Länder wandernden, sesshaft werdenden und wieder vertriebenen europäischen Judengemeinschaften. Der Chasan, der Vorbeter, der am Sabbat der Gemeinde den heiligen Niggun singt, aus der Thorarolle prophetische Weisheit in jahrhundertealter psalmodischer Melodie vorträgt, spielt als Lezim am Sabbatausgang zu Freude und Fest, ist als witziger Volkssänger und Fiedler auch bei Nichtjuden beliebt und geschätzt. So auch Isaac Juda Eberst, «der Offenbacher» oder «der aus Offenbach» genannt, der als Musikant mit Glauben und Temperament – um des Unterhalts willen im Notfalle auch wieder als Buchbinde