: Frank McCourt
: Ein rundherum tolles Land Erinnerungen
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641118662
: 1
: CHF 9.60
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: Romanhafte Biographien
: German
: 544
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
''Die Asche meiner Mutter' ist so gut - sie verdient eine Fortsetzung.' So schrieb die New York Times über Frank McCourts Bestseller. Mit dem vorliegenden Buch erfüllte der Autor nicht nur den Wunsch seines Rezensenten, sondern auch die Hoffnungen der Millionen von begeisterten Lesern und schrieb seine Geschichte fort. 'Ein rundherum tolles Land' beginnt dort, wo der erste Teil endet: als Frank McCourt mit 19 Jahren an Bord eines irischen Schiffes nach Amerika kommt und nichts hat als die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Arm, mit schlechten Zähnen und entzündeten Augen, ohne jede nennenswerte Ausbildung, erreicht er das Land seiner Träume - und muss feststellen, dass er mit seinem Aussehen und seinem irischen Akzent ein Nichts ist. Wie er sich trotz aller Widrigkeiten einen Platz im Leben erkämpft, einen Platz 'auf dem Bindestrich von Irisch-Amerika', berichtet der große Erzähler McCourt in seiner unnachahmlichen Mischung aus Traurigkeit und Witz. Seine unglaublichen Geschichten über Priester und Jungfrauen, über irische Kneipen, bayrische Bierkeller und die merkwürdigen Sitten der Amerikaner im Allgemeinen verbinden sich zu einer augenzwinkernden Hommage an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in der 'toll' nicht nur 'großartig' bedeutet.

Frank McCourt wurde 1930 in Brooklyn in New York als Kind irischer Einwanderer geboren, wuchs in Limerick in Irland auf und kehrte 1949 nach Amerika zurück. Dreißig Jahre lang hat er an New Yorker High Schools unterrichtet. Für sein erstes Buch, 'Die Asche meiner Mutter', 1996 erschienen, erhielt er den Pulitzerpreis, den National Book Critics Circle Award und den L.A. Times Book Award. Frank McCourt verstarb im Juli 2009.

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Als die Irish Oak im Oktober 1949 von Cork aus in See ging, dachten wir, in einer Woche wären wir in New York. Statt dessen hieß es nach zwei Tagen auf See, wir fahren nach Montreal in Kanada. Ich sagte dem Ersten Offizier, ich hätte nur vierzig Dollar, und ob mir die Irish Shipping die Eisenbahnfahrt von Montreal nach New York bezahlt. Er sagte, nein, dafür kann die Gesellschaft nichts. Er sagte, Frachter sind die Huren der Weltmeere, die sind jedem zu Willen. Man könnte auch sagen, ein Frachter ist wie Murphys alter Hund, er geht mit jedem Wanderer ein Stück des Wegs mit.

Zwei Tage später überlegte es sich die Irish Shipping anders, und wir vernahmen die frohe Botschaft, wir laufen New York an, aber wieder zwei Tage später bekam der Kapitän die Order, Albany anzulaufen.

Der Erste Offizier sagte mir, Albany sei eine Stadt weit oben am Hudson River, die Hauptstadt des Staates New York. Er sagte, Albany hätte den ganzen Charme von Limerick, ha, ha, ha, ein schöner Ort zum Sterben, aber keiner, wo man heiraten oder Kinder großziehen möchte. Er war aus Dublin und wußte, daß ich aus Limerick war, und wenn er sich über Limerick lustig machte, wußte ich nie, was ich tun sollte. Am liebsten wäre ich ihm mal richtig über den Mund gefahren, aber ich brauchte bloß in den Spiegel zu schauen, pickliges Gesicht, entzündete Augen und schlechte Zähne, und wußte, daß ich mich mit keinem anlegen konnte, schon gar nicht mit einem Ersten Offizier in Uniform und mit der Aussicht auf eine rosige Zukunft als Kapitän seines eigenen Schiffes. Dann sagte ich mir immer, kann mir doch egal sein, was irgendwer über Limerick sagt. Mir war es dort nur schlechtgegangen.

Und dann geschah das Seltsame. Ich saß in meinem Liegestuhl in der warmen Oktobersonne, rings um mich der herrliche blaue Atlantik, und versuchte mir New York vorzustellen. Ich sah die Fifth Avenue vor mir, den Central Park oder Greenwich Village, wo alle wie Filmstars aussehen, gesunde Bräune, strahlendweiße Zähne. Aber jedesmal stieß mich Limerick in die Vergangenheit zurück. Anstatt über die Fifth Avenue zu schlendern, mit der Bräune und den Zähnen, war ich auf einmal wieder in den Gassen von Limerick, Frauen standen schwatzend an der Haustür und zogen ihre Tücher enger um die Schultern, Kinder mit marmeladenbrotverschmierten Gesichtern spielten und lachten und riefen nach ihren Müttern. Ich sah Leute Sonntag morgens in der Messe, wo ein Tuscheln durch die Reihen lief, wenn jemand vom Hunger geschwächt in der Bank zusammensank und hinausgetragen werden mußte von den Männern, die hinten in der Kirche standen und zu allen sagten, zurücktreten, zurücktreten, um Christi willen, ihr seht doch, wie sie nach Luft schnappt, und ich wollte auch so ein Mann sein, der den Leuten sagt, sie sollen zurücktreten, denn dann durfte man draußen bleiben, bis die Messe aus war, und man konnte ins Pub gehen, was überhaupt nur der Grund war, warum man mit all den anderen Männern ganz hinten stand. Die Männer, die nicht tranken, knieten immer direkt vorn am Altar, um zu zeigen, was für gute Menschen sie sind und daß sie nichts dagegen hätten, wenn die Pubs bis zum Jüngsten Gericht geschlossen blieben. Sie kannten die Antwortstrophen besser als jeder andere und bekreuzigten sich und standen auf und knieten nieder und seufzten beim Beten, als ob sie den Schmerz unseres Heilands stärker spürten als die übrige Gemeinde. Manche von ihnen hatten dem Trunk vollends abgeschworen, und das waren die schlimmsten, ständig predigten sie von den Übeln der Trunksucht und schauten auf die anderen herab, die ihr noch verfallen waren, als wüßten nur sie den rechten Weg in den Himmel. Sie taten so, als würde der Herrgott jedem den Rücken kehren, der sich mal ein Bier genehmigte, dabei wußte doch jeder, daß es kaum einen Priester gab, der das Bier oder die, die es tranken, von der Kanzel herab verdammte. Die Männer mit dem Durst blieben hinten, damit sie sofort zur Tür rauswischen konnten, sobald der Priester sagte, ite, missa est, gehet hin in Frieden. Sie bl