: Sa?a Stani?i?
: Wie der Soldat das Grammofon repariert Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641015435
: 1
: CHF 8.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als der Bürgerkrieg in den 90er Jahren Bosnien heimsucht, flieht der junge Aleksandar mit seinen Eltern in den Westen. Rastlos neugierig erobert er sich das fremde Deutschland und erzählt mit unbändiger Lust die irrwitzigen Geschichten von damals, von der großen Familie und den kuriosen Begebenheiten im kleinen Vi?egrad. Aleksandar fabuliert sich die Angst weg und 'die Zeit, als alles gut war' wieder herbei.
Aleksandar wächst in der kleinen bosnischen Stadt Vi?egrad auf. Sein größtes Talent ist das Erfinden von Geschichten: Er denkt gar nicht daran, sich an die Themen der Schulaufsätze zu halten, viel zu verrückt sind die Erntefeste bei seinen Urgroßeltern, viel zu packend die Amokläufe betrogener Ehemänner und viel zu unglaublich die Geständnisse des Flusses Drina. Als der Krieg mit grausamer Wucht über Vi?egrad hereinbricht, hält die Welt, wie Aleksandar sie kannte, der Gewalt nicht stand, und die Familie muss fliehen. In der Fremde eines westlichen Landes erweist sich Aleksandars Fabulierlust als lebenswichtig: Denn so gelingt es ihm, sich an diesem merkwürdigen Ort namens Deutschland zurechtzufinden und sich eine Heimat zu erzählen. Seinen Opa konnte er damals nicht wieder lebendig zaubern, jetzt hat er einen Zauberstab, der tatsächlich funktioniert: seine Phantasie holt das Verlorene wieder zurück. Als der erwachsene Aleksandar in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt, muss sich allerdings erst zeigen, ob seine Fabulierkunst auch der Nachkriegsrealität Bosniens standhält.
Mit 'Wie der Soldat das Grammofon repariert' hat Sasa Stanisic einen überbordenden, verschwenderischen, burlesken und tragikomischen Roman über eine außergewöhnliche Kindheit unter außergewöhnlichen Umständen geschrieben, über den brutalen Verlust des Vertrauten und über das unzerstörbare Vertrauen in das Erzählen.

Sa?a Stani?i? wurde 1978 in Vi?egrad (Jugoslawien) geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Seine Werke wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt und viele Male ausgezeichnet. Sa?a Stani?i? lebt und arbeitet in Hamburg. Er ist dort Fußballtrainer einer F-Jugend.

"Wohin schlechter Musikgeschmack führt, was der Dreipunktemann anprangert und wie schnell ein Krieg ist, wenn er einmal Anlauf genommen hat(S. 77-78)

Meine Karre ist gleich auf dem Romanija stehen geblieben. Nicht zu fassen! Genau da, wo ich mit meinem Zoran einmal Pinkelpause gemacht habe, will der Motor nicht mehr. Nebel wie Zement, nach wie vor. Ich– zu Fuß weiter, dann kam der Bus. Der Fahrer hat Musik aufgedreht. Mein Kopf hat Schmerzen aufgedreht. Sag ich zu ihm: du bist nicht allein hier. Er lacht mich aus: bin ich nicht, aber ich fahre dich und solange ich dich fahre, gehört mir die Lautstärke und dir der Sitz. Da hat er Recht.

Das geb ich zu. Da streit ich mich nicht. Aber die Musik wird nicht nur nicht leiser, sie wird auch noch schlechter. Sie wird widerlich. Der hat eine Kassette reingetan und singt von den scharfen Schwertern an der blutigen Drina. Ich noch mal vor: gut, die Lautstärke und das Radio und das Lenkrad und die Geschwindigkeit und deine Nasenhaare gehören dir, aber das hier, das sind meine Ohren. Und das, womit meine Ohren und meine Drina sich abgeben müssen, damit bin ich nicht zufrieden und ganz und gar nicht einverstanden.

Und weil du mitsingst– da habe ich ihm gegen die Schulter getippt–, bin ich auch mit dir nicht zufrieden und ganz und gar nicht einverstanden. Als Fahrer nicht und als Mensch, der so einen Schwachsinn auswendig kann, auch nicht. Abschalten oder ich schieß dir die Eier weg! Der dreht aber bis zum Anschlag auf. In die Schlacht, alle Helden!, hat er mich angebrüllt, dass ich dachte, gleich fliegen wir von der Straße und das Letzte, was ich im Leben gehört habe, ist großserbisches Eselsgeschrei. Weil singen konnte der nicht, sonst wäre er auch kein Busfahrer geworden. Ich habe Kopfweh und mein Leben ist gerade nicht das einfachste Leben, habe ich dem Esel ins Ohr geflüstert. Und dass ich zwar Serbe bin, mich aber schäme, wenn ich so einen Müll höre.

Es gibt nichts Gefährlicheres als einen betrogenen Mann mit Kopfweh, der sich schämt und in seiner Tasche unter den Unterhemden eine geladene Flinte hat. Aleksandar, versprich mir, du drückst nie einem Busfahrer eine Flinte unters Auge, wirfst ihn aus seinem Bus, trittst ihn zusammen und erschießt seine Kassette! Pionierehrenwort! Es gibt keine Pioniere mehr, Halunke. Man ist lebenslänglich Pionier! Walross nickte zufrieden.

Ja, jetzt bin wohl ich der Bus, habe ich zu den Passagieren gesagt, und jeder kanns haben, wie er will. Ich bring euch vor die Haustür oder wohin auch immer, ihr habt dafür bezahlt. Wer nicht mit einem solchen Kopfweh und einer solchen Flinte mitfahren möchte, den lasse ich gleich raus, bin auch nicht sauer. Da waren also diese Gesichter, Männer und Frauen, sie haben mich angeguckt, alle ein bisschen besorgt und alle schwarzhaarig; alle– nur meine Milica rothaarig, sie saß auf dem Fünfer hinten und malte sich den Mund an."