ZWEITES KAPITEL
Als er Anna an jenem Abend aufsuchte, fiel ihm nichts ein, was er ihr hätte sagen können. Ihn überraschte das gar nicht – er kannte ihre Gabe, ihn vollkommen verstummen zu lassen, so wie das Rampenlicht einem nervösen Schauspieler die Sprache raubt. Ungewöhnlich war lediglich seine eigene Gleichgültigkeit ihr gegenüber; während er auf der Schreibtischkante saß und mit den Beinen wippte, fühlte er sich unbeteiligt und überlegen wie ein Biologe, der das natürliche Verhalten seiner Versuchstiere beobachtet. Nach einer kurzen, beiläufigen Begrüßung schwieg er; in blasierter Selbstzufriedenheit summte er leise die Melodie eines altmodischen Tanzliedes.
Anna beendete die Stille.
«Warum bist du hergekommen?»
«Ach, nur eine gesellschaftliche Pflichtübung. Manche Leute haben religiöse Verpflichtungen, ich habe gesellschaftliche, und denen komme ich in angemessener Demut nach.»
«Was hatte dein Telegramm denn zu bedeu