: Bryan Camp
: Der Straßenmagier - Die Götter von New Orleans Roman
: Blanvalet
: 9783641260484
: Die Halbmondstadt
: 1
: CHF 7.30
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: Fantasy
: German
: 560
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Tote Götter, verlorene Seelen, grausame Morde und dunkle Magie - willkommen im wahren New Orleans!
Jude findet Dinge. Nicht wie ein Detektiv, auch wenn manche das glauben, sondern mit seiner einzigartigen magischen Gabe. Zumindest war es früher so, bevor der Hurrikan Katrina nicht nur in der Welt der Sterblichen entsetzliches Leid verursacht hat, sondern auch das magische Gefüge von New Orleans zerstörte. Seitdem blufft sich Jude durchs Leben und schlägt sich mehr schlecht als recht durch. Da wird der Schutzgott der Stadt ermordet, und Jude ist der Hauptverdächtige. Ob mit oder ohne seine Gabe: Er muss den wahren Mörder finden, um seine Weste wieder reinzuwaschen. Dabei tritt Jude Engeln, Vampiren, Göttern und Magiern auf die Füße - und entdeckt eine monströse Verschwörung, die New Orleans für immer verändern wird ...

Bryan Camp wuchs in New Orleans auf und studierte auch dort. Seinen ersten Roman »Der Straßenmagier« begann er auf dem Rücksitz des Autos seiner Eltern zu schreiben, während sie vor dem Hurrikan Katrina evakuiert wurden. Er lebt heute immer noch in New Orleans.

KAPITELEINS

Am Anfang war das Wort. Und die Leere, das Eis im Norden, das Feuer im Süden und die Großen Wasser.

Ein Universum, erschaffen an einem Tag und in einer Nacht oder in Milliarden Jahren, in sieben Tagen oder in einem Zyklus aus Schöpfung und Zerstörung. Man brachte die Wasser dazu zu weichen, damit das Land hervorträte, oder das Land wurde aus den Windungen einer Schlange gebildet oder aus der Hälfte einer erschlagenen Meeresgöttin oder dem Fleisch und den Knochen und dem Schädel eines Giganten oder einem zerbrochenen Ei. Oder eine Insel aus geronnenem Salz tauchte auf, als das Meer von einem Speer aufgewühlt wurde. Oder das Land wurde von einem Wasserkäfer über die Wasseroberfläche gehoben oder von einer Bisamratte oder einer Schildkröte oder von zwei Seetauchern. Wie auch immer die Welt erschaffen worden war, sie wimmelte von Leben, wurde von Wesen bevölkert, die aus einer einzelnen Zelle hervorgegangen waren oder die aus Ton geformt oder aus Holz geschnitzt oder aus einer Venusmuschel befreit worden waren. Sie sind aus den sieben Höhlen ihrer Unterwelt hinaufgewandert oder durch ein Loch im Himmel hinabgestürzt, oder aus der Welt der Insekten gekrochen, die tief darunter liegt. All diese Geschichten, all diese Anfänge sind wahr, und doch enthält keine die absolute Wahrheit. Sie existieren, obgleich paradox, dennoch gleichzeitig. Die Welt ist ein Haus, das aus sich widersprechenden Blaupausen errichtet wurde, weniger eine Geschichte als vielmehr ein Gespräch. Aber es ist keine Welt ohne Komplikationen, ohne Konflikte. Oder ohne Nähte.

Eine dieser Komplikationen war ein Mann namens Jude Dubuisson, ein Mensch aus Fleisch und Blut und gleichzeitig göttlich. Er starrte auf den Jackson Square, auf die breite weiße Fassade der St. Louis Cathedral, auf den flatternden Schwarm fetter Tauben, auf die gezeitengleichen Touristenströme auf den Pflastersteinen, und sah doch nichts davon. Er war taub für seine Umgebung, das ständige Murmeln der Menschenmenge, das Klappern der Hufe auf dem Pflaster und das laute Tuten der Dampforgel des Schiffs, das vom Fluss herüberschallte. Seine Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet, auf Gedanken an das alte Leben, das er so sehr zu vergessen versucht hatte. Auf all die Jahre, in denen er zwischen den Welten der Götter und der Menschen gestanden hatte, der Lebenden und der Toten.

Sein ganzes Erwachsenenleben hatte er auf dem Saum zwischen diesen beiden Welten balanciert und beiden Schwierigkeiten gemacht – ein lebendiger, atmender Konflikt mit einem Scheiß-drauf-Grinsen. Allerdings war das vor dem Sturm gewesen. Diese Erinnerungen gehörten einem anderen Mann. In den sechs Jahren seit jenen schicksalhaften Tagen des Jahres 2005 hatte er versucht, das alles hinter sich zu lassen. Hatte versucht, all die unmöglichen Dinge zu verdrängen, von denen er wusste. In den letzten Tagen jedoch war die Vergangenheit wie eine Sturmwolke am Horizont aufgezogen, ein Gewitter, das unaufhörlich grollte, eine Schwermut, die sich einfach nicht zerstreuen ließ.

Die Vergangenheit weigerte sich schlichtweg, tot zu bleiben.

Jemanden wie Jude würden die liberaleren Geister in der Stadt, für die der Ausdruck »Mischling« irge