1. Kapitel
Mitten in der Nacht ließen wir den Atlantik in unserem Unterseeboot hinter uns und erreichten die Straße von Gibraltar. Nahezu lautlos drang Onkel Simons U-Boot, die Kopernikus, durch die Meerenge in das Mittelmeer ein, wo es seine Fahrt fortsetzte.
Ich konnte nicht schlafen. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Eigentlich hätten wir ja längst auf Forschungsreise nach Grönland unterwegs sein sollen, aber dank meiner Neugierde war alles anders gekommen: Unsere Flucht aus dem Hafen von Miami, der Mord an Ethans Mutter in New York, unser Unterschlupf bei den Niagarafällen und schließlich unser Aufenthalt auf Wreck Island mitten im Bermudadreieck. Das war ziemlich viel für eine Woche – und da wir mittlerweile international gesucht wurden, würde es für Simon und die Kopernikus keine Forschungsaufträge mehr geben.Gut gemacht, Terry!
Die halbe Nacht lag ich abwechselnd in meiner Kajüte wach und starrte durchs Bullauge in das dunkle Blau, oder saß, in eine Decke gehüllt und an einem Müsliriegel kauend, auf der Kommandobrücke und glotzte auf die Armaturen. Die tiefsten Stellen, die uns das Echolot anzeigte, reichten bis zu 900 Meter hinunter. Wir bewegten uns jedoch nur fünfzig Meter unter der Wasseroberfläche und kamen dank Onkel Simons genialem Kavitationsantrieb zügig voran.
In dieser Tiefe konnte uns niemand ausmachen, und selbst auf dem Sonar eines anderen U-Bootes hätte die Wasserdampfblase, die die Kopernikus umhüllte, niemanden misstrauisch gemacht. Mit unserer hohen Geschwindigkeit von achtzig Knoten hätte man uns sowieso nicht für ein U-Boot gehalten, sondern höchstens für einen Schwarm Schwertfische. Und bei diesem Gedanken schlief ich dann doch irgendwann auf der Brücke ein.
In den frühen Morgenstunden tauchten wir bereits an der sizilianischen Küste entlang, erreichten die Adria und fuhren nach Norden. Unser Ziel war Venedig.
Meine Mutter war vor zehn Jahren kurz vor ihrem Tod mit ihrem Wasserflugzeug im Bermudadreieck fünf Seemeilen westlich von Wreck Island während eines Sturms abgestürzt, und mit ihr alle Ergebnisse ihrer Forschung. Doch Pierre und ich hatten vor einigen Tagen eine Holztruhe mit ihren Unterlagen aus dem Wrack getaucht.
Abgesehen von einem unterarmgroßen, gebogenen, abgesplitterten, grauen Horn unbekannten Ursprungs namensJerichos Splitter, hatten sich in der Truhe jede Menge biologische, medizinische und genetische Analysen in wasserdichten Folien befunden. Unterlagen, aus denen wir nicht schlau wurden, obwohl mein Onkel, genauso wie meine Mutter, Meeresbiologe war. Wir wussten lediglich, dass meine Mutter auf Wreck Island mit Delfinen geforscht hatte und kurz vor ihrem Tod auf eine Formel gestoßen war. Hinter dieser Formel war offenbar Finn her, der für den PharmakonzernBiosyde arbeitete. Aber bis auf Mutters Unterlagen und dieses merkwürdige Horn, das wir nun an Bord hatten, wussten wir fast nichts über