: Sascha Karberg
: Der Mann, der das Impfen neu erfand Ingmar Hoerr, CureVac und der Kampf gegen die Pandemie
: Aufbau Verlag
: 9783841228062
: 1
: CHF 14.40
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Seine Idee rettet Millionen Menschenleben

Im Jahr 1999 macht Ingmar Hoerr als Doktorand in einem Tübinger Labor eine überraschende Entdeckung: mRNA funktioniert als Impfstoff. Über zwanzig Jahre später schützt sich die Welt mit mRNA-Impfstoffen vor dem Coronavirus. Doch seine Erfingung hat noch größere Implikationen: Hoerrs Vision einer neue Medizin, bei der sich der Körper selbst von Viren, Krebs, Diabetes und anderen Krankheiten befreit, steht kurz davor, Wirklichkeit zu werden.



Sascha Karberg, geboren 1969, ist Biologe und leitet das Wissen&Forschen-Ressort des Berliner Tagesspiegel. Karberg war Knight Science Journalism Fellow am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts (USA) und wurde u. a. mit dem Heureka-Preis für Wissenschaftsjournalismus, dem GSK Publizistikpreis und dem Hofschneider-Recherchepreis ausgezeichnet.

Prolog


Es ist Freitag, der 13. März 2020, gegen 10 Uhr. In die Notaufnahme der Berliner Universitätsklinik Charité wird ein Mann eingeliefert, der bewusstlos in einem Hotel in der Nähe aufgefunden wurde.

Zwei Tage zuvor hat die Weltgesundheitsorganisation die globale Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 offiziell zur Pandemie erklärt. In Deutschland werden erstmals mehr als tausend Infizierte und die ersten COVID-19-Toten gezählt, Großveranstaltungen sind abgesagt, Schulen und Kitas stehen kurz vor der Schließung. Weltweit kämpft man mit der ersten Infektionswelle oder erwartet sie mit banger Ungewissheit – und setzt alle Hoffnung auf eine rasche Entwicklung von Impfstoffen, die vor COVID-19 schützen.

Schnell wird klar: Das könnten Vakzine aus mRNA-Molekülen leisten, den Abschriften der chemisch eng verwandten DNA, dem Speichermolekül für Geninformationen in den Zellen. Anders als reguläre Impfstoffe kann mRNA binnen weniger Monate vergleichsweise günstig in Massen produziert werden. Der Haken: Anfang 2020 gibt es noch keine einzige mRNA-Arznei auf dem Markt. Noch ist diese revolutionär neue Technik, mit der neben COVID-19 auch Krebs und andere Krankheiten behandelbar werden könnten, mehr Vision als Realität.

Der Mann, der vor über zwanzig Jahren die Idee für diese Technik hatte und seitdem alles versucht hat, sie Wirklichkeit werden zu lassen, dieser Mann wird gerade im Eiltempo auf die neurologisch-neurochirurgische Intensivstation 102i der Charité geschoben.

Im Computertomografen wird eine massive Hirnblutung, ein »Subarachnoidalaneurysma mit Ventrikel-Einbruch« festgestellt. In einer Notoperation wird das geplatzte Blutgefäß geflickt. Ob damit aber sein Leben gerettet ist, ob dem Gehirn das künstliche Koma nutzen wird, bleibt offen.

Der Mann, der am Tag zuvor noch extra nach Berlin gereist ist und der Bundesregierung die Möglichkeiten der mRNA-Impftechnik erklärt hat, der Mann, der den Triumph seines Lebens, die Verwirklichung seiner Idee, schon vor Augen hatte, der einer Belohnung für Jahrzehnte mühsamer Überzeugungsarbeit und Bittstellerei, für das Ertragen von Spott und Häme, für das Hintanstellen von Freundschaften und Familienleben so nah war wie nie, dieser Mann taucht nun in tiefe Dunkelheit – und mit ihm die Erinnerung an sein Leben, seine Leistungen, ja sogar an sich selbst.

*

Mitte Januar 2020 identifizierten chinesische Forscher ein neuartiges Coronavirus als den Verursacher einer schweren, akuten Atemwegserkrankung. Ziemlich genau zehn Monate später, am 9. November, lieferten Forscher den Nachweis, dass sie einen Impfstoff entwickelt haben, der vor dieser Krankheit, COVID-19, schützt.

Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit ist ein Impfstoff gegen eine zuvor völlig unbekannte Krankheit so schnell entwickelt worden.