Der rote Drache
Warum geht das alles nur so langsam?« Astorin stand in seinem Turmzimmer am Fenster und ließ den Blick über die ausgedorrte Ebene mit den Lavafeldern schweifen, die er vom Gipfel des erloschenen Vulkans, auf dem seine Burg thronte, überblicken konnte. Eine Woche war es nun schon her, dass einer seiner Söldner einen roten Drachen entdeckt hatte, der seinen Schlafplatz offenbar in dem Höhlensystem hinter der gläsernen Wand hatte, denn dorthin war die Echse mit zwei erbeuteten Pferden in den Fängen geflogen. Kaum war ihm die Geschichte zu Ohren gekommen, schickte Astorin einen Trupp Söldner los, um die Drachenhöhle zu suchen. Ein roter Drache! Eines der stärksten und grausamsten Wesen der Welten! Zufrieden strich sich der Magier über die langen, dünnen Barthaare, die ihm als klägliche Fransen vom Kinn hingen.
»Endlich ist die Zeit gekommen, deine Macht zu testen, mein kleiner Liebling!« Er hob die handgroße rote Drachenfigur, die er aus dem Schrein geholt hatte, zärtlich an die Lippen.
»Ich weiß, dass du allein nicht die allumfassende Macht hast. Diese Macht wird sich erst entfalten, wenn ich euch alle gefunden und zu einer Krone zusammengefügt habe, doch ich bin mir sicher, dass schon in jeder einzelnen von euch große Kräfte wohnen, die nur darauf warten, mir zu dienen. Jetzt kannst du zeigen, was in dir steckt.«
Mit ausgestrecktem Arm hielt er die zartgliedrige Figur von sich weg und ließ ihren Leib in der Sonne blitzen. Die Strahlen der Wüstensonne spiegelten sich im Schuppenkleid der Echse und verwandelten es in flüssige Lava, die ausfloss, alles Leben in ihrem Glutstrom zu vernichten.
»Ja, roter Drache, wir werden unsere Kräfte messen. Dann werden wir sehen, wer der Stärkere von uns beiden ist.«
Am Horizont tauchte eine Staubwolke auf. Astorin ließ die Figur sinken, kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf das Bild, um es klarer zu sehen. Ja, da näherte sich etwas der Burg, das sich schon bald in drei Reiter schied. Nur drei? Er hatte zehn seiner Männer losgeschickt. Waren das wirklich seine Söldner, die er zur Erkundung ausgesandt hatte? Unentschlossen blieb er am Fenster stehen und starrte mit gerunzelter Stirn auf die sich nähernde Wolke. Kein Zweifel, es waren drei seiner Männer. Sollte das bedeuten, dass die anderen nicht mehr unter den Lebenden weilten? Der Magier knurrte gereizt: »Schwächlinge, Versager!«
Astorin legte die Figur behutsam zu ihrem kupfernen Bruder in den Schrein zurück, baute die magische Schutzmauer wieder auf und rannte dann mit wehenden Gewändern die Treppe hinunter in den Hof, wo er ungeduldig die Ankunft der Reiter erwartete.
Die rostigen Ketten knirschten, als das Fallgitter hinaufgezogen wurde, um die Reiter einzulassen. Mensch und Tier waren nicht nur von rotem Staub bedeckt und zu Tode erschöpft, zwei der Männer waren darüber hinaus schwer verletzt. Die großflächigen Brandwunden, die ihnen sichtlich heftige Schmerzen bereiteten, waren blut- und staubverkrustet, und das Wundfieber glänzte in ihren rot verquollenen Augen. Ohne sich um die Verletzten zu kümmern, gebot Astorin dem unversehrten Mann, ihm zu folgen.
Keen stieg hinter dem Meister die gewundene Treppe hinauf. Obwohl verängstigt, durstig und müde, wagte der Wächter nicht darum zu bitten, wenigstens erst einen Schluck Wasser trinken zu dürfen. Die Knie waren ihm nicht nur vor Erschöpfung weich. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er mit dem Magier selbst sprechen musste.
Sie hatten kaum die ersten Stufen hinter sich gebracht, als einer der Verletzten einen grässlichen