Zwei
Theos Zimmer lag im siebten Stock eines neuen Hotels in der Connecticut Avenue, knapp einen Kilometer nördlich vom Weißen Haus. Von ihrem Fenster aus hatten er, Chase, Woody und Aaron freie Sicht auf die obere Hälfte des zu Ehren von George Washington errichteten Obelisken, der sich über der Stadt erhob. Für Samstag ganz früh war eine Besteigung des Washington Monument bis hinauf zur Spitze geplant. Für den Augenblick mussten sie sich allerdings eilig zu einem schnellen Mittagessen nach unten begeben, bevor es auf Besichtigungstour ging.
Jeder Schüler hatte unter den zahlreichen Attraktionen Washingtons seine Wahl treffen dürfen. Wenn sie alles hätten sehen wollen, wären sie ein ganzes Jahr lang rund um die Uhr beschäftigt gewesen, daher hatten Mr. Mount und die anderen Lehrer eine Liste zusammengestellt, aus der die Schüler ihre Prioritäten auswählen konnten.
April hatte Theo vorgeschlagen, das Ford’s Theatre zu besuchen, in dem Abraham Lincoln erschossen worden war; das klang interessant. Theo überredete Chase, und nach dem Mittagessen traf sich eine Gruppe von achtzehn Schülern in der Hotellobby mit Mr. Babcock, einem Geschichtslehrer. Mr. Babcock erklärte ihnen, dass ihre kleine Gruppe keinen der Busse nehmen würde. Stattdessen sollten sie das U-Bahn-System von Washington kennenlernen, die sogenannte Metro. Er fragte, wer von den Schülern schon einmal U-Bahn gefahren war. Theo und drei andere hoben die Hand.
Sie traten aus dem Hotel auf den belebten Gehweg und marschierten los. Für Jugendliche aus der Kleinstadt waren Lärm und Hektik der Großstadt höchst gewöhnungsbedürftig. So viele hohe Gebäude, so viele Autos, die im Verkehrsgewühl kaum vorankamen, so viele Menschen, die sich auf den Gehwegen drängten und eilig ihrem Ziel zustrebten. An der Metrostation Woodley Park fuhren sie mit der Rolltreppe tief in den Untergrund. Mr. Babcock hatte SmarTrip-Karten aus Plastik für sie dabei, mit denen die Schüler das Metrosystem mit gewissen Einschränkungen nutzen konnten. Ihre Bahn war halb leer, sauber und effizient. Als sie durch den dunklen Tunnel sausten, verriet April Theo im Flüsterton, dass sie zum ersten Mal U-Bahn fuhr. Theo kannte das schon aus New York, wo er mit seinen Eltern in Urlaub gewesen war. Allerdings war der öffentliche Nahverkehr in New York etwas ganz anderes als in Washington.
Als der Zug nur wenige Minuten nach dem Einsteigen an der Haltestelle Metro Center zum dritten Mal stoppte, mussten sie auch schon wieder aussteigen. Sie liefen die Treppe hinauf zurück ins Sonnenlicht. Mr. Babcock zählte achtzehn Schüler, und sie marschierten los. Minuten später hatten sie die Tenth Street erreicht.
Mr. Babcock ließ die Gruppe anhalten und deutete auf ein schmuckes, offenkundig bedeutendes Backsteingebäude auf der anderen Straßenseite. »Das ist das Ford’s Theatre, wo am 1. April 1865 auf Präsident Lincoln geschossen wurde. Wie ihr alle wisst, weil ihr in Geschichte so eifrig mitgearbeitet habt, war der amerikanische Bürgerkrieg eben erst zu Ende gegangen; tatsächlich hatte sich General Lee erst fünf Tage zuvor am Gerichtsgebäude von Appomattox im Bundesstaat Virginia General Grant ergeben. Die Stadt Washington war in Feie