1Januar: Manche Schwäne sind weiß
Mein letztes und entscheidendes Vorstellungsgespräch bei der Serious Cybernetics Corporation führte der Sicherheitschef des Unternehmens, Tyrel Johnson, persönlich mit mir. Er war Mitte fünfzig und so ein Schrank von Mann, der dank gesunder Lebensweise und viel Sport nicht fett geworden war, sondern eine kompakte Spannkraft wie Teakholz hatte. Ziemlich hellhäutig, kurzes graues Haar, maßgeschneiderter marineblauer Nadelstreifenanzug mit zitronengelbem Baumwollhemd, keine Krawatte.
Da die Kleidung der restlichen Belegschaft eher in Richtung Gammellook ging, war ein Anzug ein ziemliches Statement. Ich war froh, dass auch ich meinen angezogen hatte.
In Anbetracht der pastellfarbenen Wände, des staksigen Edelstahlmobiliars und des Deko-Schriftzugs inMS Comic SansAsk me about my poetry quer über eine Wand tippte ich darauf, dass Mr. Johnson sein Büro nicht selbst eingerichtet hatte. Ich saß auf dem niedrigen bananengelben Sofa, er lehnte mit verschränkten Armen an seinem Schreibtisch. Ohne irgendwelche Unterlagen in der Hand, fiel mir auf.
»Peter Grant.« Seine Aussprache war westindisch, vermutlich Trinidad, wobei ich das nie so genau identifizieren kann. »Achtundzwanzig Jahre alt, geboren in London, Schulabschluss nicht schlecht, trotzdem kein Studium. Danach Jobs bei Tesco und kleineren Einzelhändlern sowie bei Spinnaker Office Services – was war das?«
»Eine Büro-Reinigungsfirma.«
»Ah, dann können Sie also mit einem Schrubber umgehen?« Er grinste.
»Leider nur zu gut.« Mannhaft widerstand ich dem Drang, jeden Satz mit einem »Sir« zu beenden. Tyrel Johnson war in dem Jahr aus der Polizei ausgetreten, in dem ich geboren wurde, aber manche Dinge wird man sein Leben lang nicht los.
Irgendwann würde ich mich auch selbst damit auseinandersetzen müssen, dachte ich plötzlich.
»Dann zwei Jahre Polizeiausbildung und Eintritt in die Metropolitan Police. Wo Sie es ganze sechs Jahre ausgehalten haben.« Er nickte, als leuchtete ihm das voll und ganz ein – ich wünschte, mir auch.
»Nach der Probezeit kamen Sie in die Abteilung Spezielle, Organisierte und Wirtschaftskriminalität. Was genau haben Sie dort gemacht?«
Alle waren sich einig gewesen, dass es absolut kontraproduktiv wäre, wenn ich die Einheit Spezielle Analysen alias Folly alias »Oh Gott, bitte nicht die« erwähnen würde. Dass es in der Met eine Spezialeinheit gab, die sich mit abstrusem Scheiß befasste, war in der Polizei vielen bekannt; dass es darin Beamte mit Magieausbildung gab, war nicht unbedingt ein Geheimnis, aber definitiv nichts, worüber man gern sprach. Insbesondere nicht bei einem Bewerbungsgespräch.
»Operation Rummelplatz«, sagte ich.
»Nie gehört.«
»Es ging um nigerianische Fälscherbanden.«
»Haben Sie verdeckt ermittelt?«
»Nein. Zeugenbefragungen, Vernehmungen, Spurenverfolgung. Der Kleinkram, Sie wissen schon.«
»Kommen wir doch mal zur Kernfrage«, sagte Johnson. »Warum sind Sie gegangen?«
Als Expolizist hatte Johnson natürlich noch Kontakte in der Met – garantiert hatte er sich nach mir erkundigt, sobald meine Bewerbung in die engere Auswahl genommen wurde. Andererseits, die Tatsache, dass wir dieses Gespräch überhaupt führten, wies darauf