: Benjamin Markovits
: Spieltage
: Verlag Freies Geistesleben
: 9783772544231
: 1
: CHF 18.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 374
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Spieltage ist so gegenwärtig geschrieben, dass man sich in der Schilderung dieses ersten langen Sommers nach Studienabschluss ohne Weiteres wiedererkennt. Mit melancholisch-nostalgischem Blick auf die ersten Schritte ins Erwachsenenleben ist dies die Geschichte eines jungen Mannes, der seine erste ?erwachsene? Liebeserfahrung macht und dabei die eigenen Grenzen erkennt.

Benjamin Markovits, wuchs in Texas, London und Berlin auf. Eine kurze, wenig vielversprechende Karriere als Profi-Basketballer brach er ab, um die Literatur der Romantik zu studieren. Seitdem war er Highschool-Lehrer für Englisch, gab ein linksgerichtetes Kulturmagazin heraus und schrieb Essays, Storys und Buchkritiken für Publikationen wie die New York Times, den Guardian, die London Review of Books oder das Times Literary Supplement. Vor 'Playing Days' sind von ihm bereits die Romane 'The Syme Papers' ('Symes Entdeckung'), 'Either Side of Winter' ('Manhattan Love Story'), 'Imposture und A Quiet Adjustment' erschienen. Seit dem Jahr 2000 lebt Markovits mit seiner Frau und einem gemeinsamen Kind in London, wo er Creative Writing am Royal Holloway College lehrt.

3


Der Club schickte jemanden, der mich am Flughafen in Empfang nahm, einen Amerikaner namens Bo Hadnot, vom Akzent her Südstaatler. Er war so eins sechsundachtzig, eins achtundachtzig groß; vermutlich ein ehemaliger Spieler, dachte ich. Mit großen Zähnen, die seine Lippen ein wenig aufdrückten und ihn durstig aussehen ließen. Und mit kräftigen Händen – er nahm mir die Reisetasche ab. Das schien mir eine eher traurige Aufgabe für einen Expat.

Ich wurde in diesem Sommer öfters «in Empfang genommen», an Flughäfen, Bahnhöfen, Busterminals, von diversen Teamchefs und Clublakaien. Dicke, schlecht gekleidete Männer, deren letzter Rest von Jugend darin bestand, dass sie noch bei ihren Eltern wohnten. Ein Freund aus der Clubleitung hatte ihnen irgendeinen Job verschafft: Übernachtungen und Ablaufpläne organisieren, Spieler vom Hotel zur Halle befördern, danach die Umkleide putzen, Trikots waschen etc. Trotzdem spielten sie sich vor den nervösen Neuankömmlingen auf, vor Typen wie mir. Die meisten wussten gar nicht, wie ich heiße, und Hadnot war da keine Ausnahme. Ihnen genügte, dass ich Basketballspieler war, sie rechneten damit, meinen Kopf schon irgendwie über den anderen erkennen zu können.

Ich war nach dem Flug verschwitzt und verschüchtert und schlief auf der Fahrt schon nach wenigen Minuten ein. Hadnot verfuhr sich auf dem Weg vom Flughafen. Er weckte mich an einer Tankstelle, damit ich nach dem Weg frage, und sagte dabei erst leise, dann immer lauter: «Junge! Junge!» Er hatte mitbekommen, wie ich mit einem der Zollbeamten Deutsch gesprochen hatte. Wieder im Auto fragte ich ihn, wie lange er schon hier sei, und ohne Ironie oder Scham meinte er, fünf Jahre. Was er die ganze Zeit gemacht habe, fragte ich.

«Basketball gespielt.»

Irgendwann überwanden wir das Gitternetz an Autobahnen rund um den Flughafen und fuhren durch eine ländliche Gegend, die einladend und ordentlich bewirtschaftet aussah. Landstraßen, links und rechts von hohem Getreide gerahmt. Und Dörfer, die von Oberüber Mittel- zu Unter- eine ganze Skala von Namen aufwiesen, keines davon größer als eine Kurve und ein paar Bauernhäuser. Die Stadt selbst war recht hübsch und alt. Wir rumpelten ein paar Minuten lang über die Hauptstraße, vorbei an einer Kirche mit Backsteinturm, so nüchtern wie ein Fabrikschlot, bevor wir direkt am Fluss vor einem kleinen italienischen Restaurant namensSahadi anhielten. Unter einer rotgestreiften Markise hingen Korbflaschen im Fenster. Die meisten Autos, die hier parkten, waren blaue, zweitürige Fiats mit brandneuen Nummernschildern: ein Anzeichen dafür, dass sich das Basketballteam hier versammelt hatte. Hadnot meinte, er müsse noch seine Tochter von ihrer Großmutter abholen, und fuhr los, kaum dass ich die Tür zugeschlagen hatte.

DasSahadi trug den Namen seines Besitzers, eines Türken, der aus Turin über die Alpen gekommen war, als die Deutschen Ende der Achtzigerjahre die Einwanderungsbestimmungen lockerten. Er war die Sorte Mann, die mein Vater liebt, ein wurzellos