: Hannah Luis
: Toskanische Mandelträume Roman - Mit leckeren Rezepten zum Nachbacken
: Heyne
: 9783641312435
: 1
: CHF 4.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das magische Licht der Toskana, das Geheimnis einer alten Villa und eine Sommerliebe zum Dahinschmelzen
Noemi liebt es, köstliche Pralinen herzustellen, so wie sie es von ihrer kürzlich verstorbenen italienischen Großmutter Rosa gelernt hat. Als sie ihren Job bei einer Catering-Firma verliert, beschließt sie, auf den Spuren von Rosa nach Venedig zu reisen. In der Cioccolateria Simonetti erfährt Noemi, dass ihre Oma Mitbegründerin eines kulinarischen Festivals in der Toskana war, das nun wiederaufleben soll. Weil der alte Signor Simonetti zu krank ist, um die Reise nach San Gimignano anzutreten, übernimmt Noemi kurzerhand. Zusammen mit Online-Journalist Fabio, der einen großen Bericht über das Festival schreiben will, begibt sie sich auf eine bewegende Reise in die Vergangenheit. Dabei ahnt sie noch nicht, welches Geheimnis in der alten Villa, im Schatten der Mandelbäume, auf sie wartet.

Hannah Luis studierte Skandinavistik, Publizistik und Sozialanthropologie in Bochum und Kopenhagen. Nach verschiedenen Stationen in Australien, England und der Schweiz kehrte sie nach Deutschland zurück. Heute lebt und schreibt sie in Essen, aber es zieht sie noch immer regelmäßig in die Ferne. Sie liebt es, Rezepte aus anderen Ländern mitzubringen und zu Hause auszuprobieren.

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Das Gutshaus Lenz war beeindruckend mit seinen Giebeln, dem Fachwerk und den weitläufigen Ländereien im Hintergrund, aber trotzdem herrschte eine angespannte Atmosphäre. Die schwülwarme Juniluft drückte vielen aufs Gemüt. Die Pferde, die später denVIP-Gästen präsentiert werden sollten, donnerten mit ihren Hufen gegen die Türen der Boxen, als wäre ihnen der vertraute Stall plötzlich zu klein geworden. Die Menschen zerrten an den Kragen ihrer Anzüge oder zupften an ihren Oberteilen. Alle schienen sich woandershin zu wünschen. So auch die Gruppe von knapp zwanzig Besuchern – die Damen mit mehr Schmuck, je enger die Kleider waren, die Herren tapfer in Hemd, Weste und Krawatte –, die sich seit geschlagenen zehn Minuten vor dem Hauptgebäude herumdrückte und den Catering-Stand nicht aus den Augen ließ.

Noemi verfiel in den Arbeitsmodus und ließ sich von alldem nicht anstecken, auch wenn ihr die weiße Bluse am Rücken klebte. Sie löste das Cellophan von den ersten Silberplatten und rückte die Lachs-Dill-Röllchen mit der Zange zurecht, damit sich ein symmetrisches Bild ergab. Trotz der Wärme war sie froh, hier draußen zu sein und sich nicht in einem Büro von einer Klimaanlage auskühlen lassen zu müssen. Zufrieden betrachtete sie das Ergebnis ihrer Bemühungen, und augenblicklich kam Bewegung in die Gäste.

»Ich dachte, hier geht es heute darum, die Pferde in sämtlichen Gangarten zu präsentieren«, flüsterte ihre Kollegin und gute Freundin Anja ihr so zu, dass sich ihre Lippen kaum bewegten, polierte weiter die Gläser und hielt dabei ihr Business-Lächeln aufrecht. »Die Einzigen, die hier gleich rennen, sind allerdings die Leute dort vorn, und zwar frontal auf den Stand zu. Ob die nur unseretwegen hier sind? Vielleicht sind denen die Tiere völlig gleichgültig. Andererseits, wenn sie die so gierig betrachten würden wie das Essen, würde ich mir echte Sorgen machen.«

Das Gutshaus Lenz am Rande Düsseldorfs war in der nun schon dritten Generation ein bekannter Name in der Reitpferde-Zucht; die alljährliche Präsentation der Tiere hatte sich als Treff- und Vernetzungspunkt von Publikum mit Rang und Namen in der Region etabliert. Wer bei Lenz geladen war, hatte es geschafft. Hier traf man den pferdebegeisterten Bürgermeister ebenso wie Mitglieder des alten Landadels oder die Köpfe wohlhabender Familien, die auf der Suche nach einem möglichst edlen Tier für den Nachwuchs waren.

Und sie alle schielten nun mehr oder weniger verhohlen auf die Köstlichkeiten vor Noemi. Aber das war völlig in Ordnung. Wenn den Gästen das Catering zusagte und vielleicht sogar die allgemeine Stimmung hob, würde der Tag vergehen wie im Flug.

»Keine Sorge, Anja. Ich beschütze dich.« Sie unterdrückte ein Lachen und wandte sich dem Tisch links von ihr zu, der mit Getränken auf Eis, Süßspeisen in winzigen Schalen und drei Silberplatten mit Pralinen bestückt war, die sie bis gerade gekühlt gelagert hatten und nun auf einem Eisbett anboten. Ihre Pralinen! Stolz betrachtete sie die gleichmäßig geformten Irish-Cream-Kugeln, die weißen Trüffelherzen, die sie für das heutige Event mit Blattgold verziert hatte, und die glänzende Schokolade der Mandelpralinen, deren Rezept sie von ihrer Großmutter übernommen hatte. Nach ihrer Ausbildung zur Konditorin war sie eine Weile angestellt gewesen und hatte mehrmals versucht, das angestaubte Angebot der Konditorei Fechner aufzupeppen, das nur noch Stammkunden und kein frisches Publikum anlockte, war aber jedes Ma