: James Mendez Hodes, A?k?n-Hayat Do?an, Rafaela Creydt, Elena L. Knödler, Jack Sleepwalker, Sarah Bur
: Judith C. Vogt, Lena Richter, Kathrin Dodenhoeft
: Queer*Welten 02-2020
: Ach je Verlag
: 9783958694781
: Queer*Welten
: 1
: CHF 3.30
:
: Science Fiction, Fantasy
: German
: 54
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Queer*Welten ist ein halbjährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Magazin, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar machen. Außerdem beinhaltet es einen Queertalsbericht mit Rezensionen, Lesetipps, Veranstaltungshinweisen und mehr. In dieser Ausgabe: Held*innengeschichte von Askin-Hayat Do?an (Kurzgeschichte) Was der Krieg frisst von Rafaela Creydt (Kurzgeschichte) Sagittarius A* von Elena L. Knödler (Kurzgeschichte) Von Orks, Briten und dem Mythos der Kriegerrassen (Teil 2) von James Mendez Hodes (Essay) Ein Comic von Sarah Burrini

Sagittarius A*


von Elena L. Knödler

Inhaltshinweise

Implantate, künstliche Sinnesorgane, Hoffnungslosigkeit, aussterbende Menschheit

Der Schlund des Drachen war mein bevorzugter Ausblick, wenn ich mich morgens mit der ersten von vielen Tassen Guarantee an die Arbeit setzte: Ein verzerrter Ring von Licht und Materie umgab das gierige Maul, dessen Innerstes schwärzer als das Universum war. Und das musste etwas heißen, schließlich war das Universum in diesem letzten Zeitalter verdammt dunkel.

Trotzdem war es schön anzusehen, schöner als der Blick auf den sterbenden Weißen Zwerg, der uns mit letzter Mühe Leben spendete. Ich stand immer etwas früher auf, damit ich eines der Büros mit diesem Ausblick ergatterte, und ließ das Fenster das Schwarze Loch vergrößern, damit es nicht nur ein faustgroßer Fleck in der Finsternis war.

Heute war der letzte Tag vor meiner Beförderung. Mein Blick wanderte seit Minuten hin und her, Drache, Lektüre, Drache, Lektüre. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren, und die Routine, der ich mich sonst dankbar hingab, half nicht. Meine Gedanken kreisten um die Kinder, die ich übermorgen durch die Station führen sollte. Einige von ihnen würden die letzten Historiker*innen der Menschheit werden.

Ich schaltete die Printstation aus und zog das Kabel aus meinem Nacken.

„Lehrgang noch nicht abgeschlossen“, ertönte eine wohlbekannte Stimme. „Beschränken Sie Ihre Pause auf unter zehn Minuten, um Wissenszerfall vorzubeugen. Soll eine Warnzeit eingestellt werden?“

„Zwei Minuten vor Ablauf, auf mein I.F., bitte.“

„Vorwarnzeit ist eingestellt.“

Ich bedankte mich – auch wenn die K.I.s auf dieser Station keine Empfindungen hatten, bevorzugte ich, höflich zu sein – und führte die schleimige Sonde in den Desinfektionstank, bevor ich mein Büro verließ.

Zu diesem Intervall waren die Flure so ausgestorben wie unsere Galaxie. Meine Schritte hallten von den inoffensiv minzgrünen Wänden wider, bis ich vor den großen Fenstern mit Blick auf die Shuttleschleusen und den Weißen Zwerg stehen blieb. Er war nicht sehr hell. Die anderen Teile des Stationenkomplexes waren zu klein fürs bloße Auge, und Sternenlicht von weiter weg drang nie bis zu diesem Fenster, falls es überhaupt noch in jener Richtung existierte.

Manchmal, wenn ich hier stand und diesen einsamen blauen Gasball betrachtete, fühlte ich mich wie ein gigantisches Wesen. Meistens aber fühlte ich mich winzig und unbedeutend.

„Hey, Lah“, sagte jemensch hinter mir mit gesenkter Stimme, um mich nicht zu erschrecken.

Ich wandte mich um. Die Person vor mir war schmal und sehnig, mit grauer Haut und dunklen Haaren. Aufgrund meiner Gesichtsblindheit prüfte ich mein I.F., das mir die wichtigsten Informationen auf die Retina projizierte.Name: Ka. Position: Leiter*in der Historikabteilung. Pronomina: en/ems. Meine vorgesetzte Person, deren Posten ich morgen erhalten würde.

„Was machst du hier?“, fragte ich en.

Ka lächelte, die Arme locker hinter dem Rücken verschränkt. „Das Gleiche wollte ich dich fragen. Nicht dein gewöhnliches Intervall für Spaziergänge.“

Ich nickte nur.