: David Hewson
: Garten der Engel
: Folio Verlag
: 9783990371428
: 1
: CHF 17.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 387
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vor der einzigartigen Kulisse Venedigs erzählt David Hewson eine mitreißende Geschichte von Widerstand, Liebe und Zivilcourage. Als der fünfzehnjährige Nico Uccello seinen Großvater Paolo im Krankenhaus besucht, vertraut ihm der todkranke Mann ein Manuskript an, das Nicos Leben und seinen Blick auf den geliebten 'Nonno' radikal verändern wird. Im Herbst 1943 ist Venedig von deutschen Truppen besetzt. Der junge Paolo Uccello kämpft nach dem Tod seiner Eltern um den Erhalt des Familienunternehmens, einer traditionsreichen Seidenweberei. Nur widerwillig bietet er im heruntergekommenen Palazzo der Familie dem jüdischen Geschwisterpaar Mika und Giovanni Unterschlupf. Beide gehören dem italienischen Widerstand an und sind auf der Flucht vor den Nazischergen. Bald aber droht die Deportation der gesamten jüdischen Gemeinde Venedigs und Paolo muss eine Entscheidung treffen. Wird er den Mut aufbringen, das Richtige zu tun? Könnten wir es? Vom Autor der Bücher zur TV-Serie 'Kommissarin Lund - Das Verbrechen'. 'Eine der Fragen, die ich beantworten wollte, war: Was bringt einen ganz normalen, nicht besonders heldenhaften Bürger dazu, sein Leben und das seiner Familie zu riskieren, um sich dem Terror entgegenzustellen? Woher kommt dieser Mut?' (David Hewson)

David Hewson, geboren 1953, lebt in Kent. Er hat zwölf Romane geschrieben, die in Italien spielen. Mit 17 verließ er die Schule und arbeitete von da an als Reporter, u. a. für The Times, The Sunday Times und The Independent. Bekannt wurde er durch die Krimiserie um den römischen Kommissar Nic Costa und seine Roman-Adaption der dänischen TV-Serie Das Verbrechen. Venedig besucht er seit 30 Jahren.

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Ich muss vier oder fünf gewesen sein.Nonno Paolo las mir in meinem kleinen, nach vorne gelegenen Zimmer im dritten Stock eine Gutenachtgeschichte vor. Sie stand in einem Geschichtsbuch und hatte sich wirklich zugetragen. Ein Mann, ein alter König oder Kaiser, blickte am Ende seiner Herrschaft auf seine Erfolge und Misserfolge zurück und fragte sich, während er auf dem Sterbebett lag, was wohl als Nächstes kommen würde.

Ob das ein besonderes Bett sei, fragte das Kind von damals. Eins, das zum Sterben vorgesehen war? Konnte man dem Tod vielleicht entkommen, wenn man nie darin schlief?

Er las mir immer aus schlechtem Gewissen etwas vor, glaube ich. Mein Vater war gewöhnlich auf Reisen, in Amerika oder Japan, in Russland, in Frankreich, um den berühmten Samtstoff des Hauses Uccello zu verkaufen. Als Besitzer einer der letzten traditionellen Webereien Venedigs war das unser Geschäft. Meine Mutter hatte ihre Koffer gepackt und war zu ihren Eltern in England zurückgekehrt. Venedig schien ihr nicht zu gefallen. Genauso wenig wie wir. Bald darauf hatte sie schon einen neuen Mann und eine neue Familie.

Nein, sagte mein Großvater. Ein Sterbebett sei nichts Besonderes. Nur der Ort, an dem man sich befand, wenn die Zeit gekommen war. Dazu sei jedes Bett gut genug.

Selbst jetzt, nach all den Jahren, kann ich die kleine Welt meiner Kindheit wieder heraufbeschwören. Die Geräusche unter dem Fenster meines aufgeräumten Kinderzimmers im Palazzo Colombina. Vaporetti und Motorboote, das sanfte Schwappen der trägen Wellen gegen bröckelnden Backstein und das modernde Holz unseres Privatanlegers. Möwen kreischten, Tauben glitten vom Himmel und flatterten mit ihren luftigen Flügeln. Manchmal hörte ich einen Gondoliere, der für die Touristen eine Opernmelodie sang. Aus dem Kanal stieg der vertraute Geruch nach Diesel und Chemikalien auf, stets mit einem Hauch Fäulnis vermischt.

„Ist in meinem Bett schon einmal jemand gestorben?“

„Aber nein. Dein