: Alfred Bekker, Manfred Weinland, Ann Murdoch
: Wurmlöcher und Dunkelplaneten: 3 Science Fiction Romane
: Uksak E-Books
: 9783738972986
: 1
: CHF 3.30
:
: Science Fiction
: German
: 500
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Die Getilgten (Manfred Weinland) Grenzstation Outer Circle (Ann Murdoch) Dunkle Welten (Alfred Bekker) Am Rande eines instabilen Wurmlochs befindet sich die Raumstation S 7, allgemein nur Outer Circle genannt. In ihrem Innern werden immense Warenmengen umgeschlagen, außerdem ist es ein wichtiger Halte- und Umsteigepunkt für Passagiere. Hier ist die Schwarze Division stationiert, einer Elitetruppe des einflussreichen Raumritterordens, der den Einflussbereich der Menschen mit militärischen Mitteln ausdehnen will. Outer Circle ist somit ein Brennpunkt und eine galaktische Anlaufstelle zugleich - aber auch Ausgangspunkt für provozierte Konflikte, in denen der Raumritterorden eine tragende Rolle spielt.

Prolog



»Es ist eine Lüge, nicht wahr? Sie ist nicht tot!« Winoa stand da wie vom Blitz getroffen.

Rotak legte die Arme um »sein kleines Mädchen«, wie er sie manchmal nannte, und erwiderte den Druck, mit dem Winoa ihre Arme um ihn schlang. Sie hatte ihr Gesicht in seiner Brust begraben und schluchzte hemmungslos zwischen den Worten, die sie mit viel zu hoher Stimme hervorbrachte.

»Nein«, erwiderte er und strich tröstend durch das lange, seidige Haar seiner Tochter. »Sie ist nicht tot. Wäre sie es, hätten wir es gefühlt.«

Winoa schien genau zu wissen, was er damit meinte. Sie nickte ein paar Mal heftig, ohne das Gesicht von seiner Kleidung zu nehmen. Er fühlte die Wärme ihrer Tränen, mit denen sie sein tunikaartiges Hemd tränkte. Es störte ihn nicht, im Gegenteil. Er hatte diese Nähe in letzter Zeit vermisst. Nur hätte er sich ein weniger tragisches Ereignis gewünscht, das Winoa veranlasste, zu ihm zu finden, sich ihm anzuvertrauen und ihm in ihrer ganzen Verletzlichkeit gegenüberzutreten.

»Was ist eigentlich genau passiert?«, flüsterte sie erstickt. »Und wieso hat es nur sie getroffen? Das kann doch nicht sein! Wieso sucht niemand nach ihr? Sie ist irgendwo da unten! Ich verstehe nicht, dass der Commander … dass John …«

»Sei nicht ungerecht«, tadelte Rotak sie sanft. »John trägt keine Schuld. Soviel ich weiß wurde der Ort des Unglücks akribisch untersucht, jeder Quadratzentimeter …«

»Dann hätte man sie gefunden! Sie lebt! Du hast es selbst gerade gesagt. Und wenn sie lebt …« Erstmals löste sie das Gesicht von ihm und legte den Kopf weit in den Nacken, um zu ihm aufzusehen. »… dann muss sie da unten sein. Dann hat man eben nicht jeden Stein nach ihr umgedreht! Ich verlange –«

»Beruhige dich, Kind.«

»Wie soll ich mich beruhigen, wenn Mum vielleicht mit dem Tode ringt? Wenn jede verfluchte Minute vielleicht darüber entscheidet, ob wir sie noch rechtzeitig finden oder zu spät kommen werden? Bei den kobaltblauen Türmen! Warum bin ich denn so aufgelöst? Man hat die Suche abgebrochen! Abgebrochen! Das ist doch ein Unding! Ausgerechnet John hat das befohlen. Dabei hat er immer beteuert, Mum zu lieben. Sie hat das geglaubt, das weiß ich.Ichhabe es geglaubt. Aber …«

»Sei nicht ungerecht.«

Sie drückte sich von ihm ab und brachte die ausgestreckten Arme zwischen sich und ihren Vater. »Wie kannst du so ruhig bleiben?« Ihre Stimme vibrierte.

»Ich bin nicht ruhig. Ich bin ebenso in Sorge wie –«

Ihr Blick bekam etwas Sezierendes. So als wollte sie die Tiefen seiner Seele ausloten, um vielleicht auf etwas zu stoßen, was sie zum Anlass nehmen konnte, um ihn offen der Lüge zu bezichtigen. Sie war kaum noch zurechnungsfähig vor Trauer und Traurigkeit und Entsetzen über das Geschehen.

»Ich weiß nicht«, sagte sie.

»Was weißt du nicht?«

»Ob du wirklich so betroffen bist …«

»Was unterstellst du mir, Kind?« Rotak zeigte nicht, wie sehr ihn ihr Vorwurf tatsächlich erschütterte. Er war selten unbeherrscht. Eigentlich nie. Und er wollte auch jetzt nicht damit anfangen.

»Ich unterstelle gar nichts. Ich vermisse nur den letzten Funken Engagement. Du weißt, was ich meine.«

Er schüttelte den Kopf. Er wusste es wirklich nicht.

Doch sie ließ ihn nicht lange im Unklaren.

»Lass uns nach ihrspüren

Rotak zuckte leicht zusammen. Das Ritual, auf das ihn Winoa ansprach, funktionierte nur bei den Angks, die vor Jahren für den Dienst auf der RUBIKON ausgebildet und konditioniert worden waren. Ganz gleich, wo an Bord sich die einzelnen Individuen aufhielten, im Moment der körperlichen und geistigen Verschmelzung mit dem Schiff war es möglich, den genauen Aufenthaltsort jedes Einzelnen zu bestimmen – auch ohne Unterstützung der KI.

»Worauf du anspielst«, lehnte Rotak kategorisch ab, »funktioniert nur innerhalb der RUBIKON. Assur wird aber auf Diversity vermisst – auf der Oberfläche eines fremden Planeten.«

»Wir könnten es wenigstens versuchen.«

Rotak schüttelte den Kopf. »Dafür ist die Vereinigung nicht gedacht. Und in der momentanen Situation wäre es mehr als fahrlässig, uns mit derartigem zu beschäftigen. John hat Bereitschaft für alle Angks angeordnet. Er stößt in das Objekt vor, das er für Kargors Raumschiff hält. Unsere Kraft und Unterstützung kann jeden Moment gebraucht werden.« Er schüttelte noch einmal den Kopf. »Es geht nicht. Später vielleicht. Sobald wir die Tiefsee verlassen haben.«

Winoa schien sich mit der aktuellen Entwicklung wenig befasst zu haben. Für einen Moment ließ sie sich ablenken. »Tiefsee?«

Rotak setzte sie ins Bild. »Wo warst du, als die Durchsage kam?«

»Bei Yael.«

»In der Kalser-Nachbildung?«

Sie nickte geistesabwesend.

»Vielleicht wäre es besser, wenn du dorthin zurückkehren würdest«, sagte Rotak. »Nach unserer Rückkehr aus der Perle spreche ich mit den anderen. Sollten sie zustimmen, werden wir eine Zusammenkunft einberufen – aber, bitte, erwarte nicht zu viel davon. Wie ich schon sagte –«

Sie winkte ab und kehrte ihm den Rücken. »Schon gut. Ich weiß. Normalerweise funktioniert das Spüren nur hier an Bord …«

Gebeugt, als würden Zentnergewichte auf ihre schmalen Schultern drücken, ging sie davon. Ob nach Pseudokalser zu Yael oder sonst wohin, ließ sie Rotak gegenüber offen.

Er sah ihr nach, bis sich das Türschott von Rotaks Quartier schloss und weitere Blicke auf sie verwehrte.

Rotak seufzte.

Obwohl er davon ausgegangen war, nun wieder allein in seinem Häuschen im Angkdorf zu sein, erklangen hinter ihm Schritte.

Erstaunt wandte er sich um – und erstarrte.

Weil er sich Assur gegenüber sah.

»Ich hätte einen Vorschlag, wie wir ihr helfen könnten«, sagte sie. »Wärst du bereit, mich anzuhören?«



»Wer bist du? Du bist nicht Assur! Wer dann?«

»Kannst du es dir nicht denken?«

Täuschend echt jede Bewegung, täuschend echt Klang und Betonung der Stimme – und doch … es fehlte das Entscheidende.

»Nein.«

»Assur« blickte ernst, trat näher. »Ich will dich nicht vor den Kopf stoßen. Es war eine Idee, um zu helfen, mehr nicht. Aber ich erkenne bereits, dass es nicht funktionieren kann. Woran hast du es erkannt?«

Obwohl sie unfertig wirkte, ging durchaus Faszination von der Täuschung aus.

»Wo soll ich anfangen?«, fragte er. Gleichzeitig ertappte er sich dabei, dass er sich nicht satt sehen konnte an der durchaus real wirkenden Gestalt. Er war sicher, sie sogar berühren zu können, wenn er die Hände ausstreckte.

Aber davor schreckte er zurück.

»Wer bist du?«, fragte er. »Es genügt nicht, dass ich weiß, wer dunichtsein kannst. Gib dich zu erkennen.«

»Du kommst nicht selbst darauf?«

Es hatte den Anschein, als scheue die Besucherin davor zurück, ihre Herkunft selbst preiszugeben.

Scham – erkannte er Scham in ihrem Blick?

»Nein, ich komme nicht selbst darauf.«

»Assur« wandte sich zum Gehen.

...