: Erwin Raphael McManus
: Der letzte Pfeil Nur wer alles gibt, wird alles gewinnen
: Verlag Herder GmbH
: 9783451820106
: 1
: CHF 14.80
:
: Christliche Religionen
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Bevor du es von jemand anderem hörst, lass es mich dir sagen: Ich werde sterben.' Bislang war dieser Satz für Erwin McManus nur ein rhetorischer Clou in einem Buch, mit dem er die Leser zu einem aktiven, selbstständigen Leben ermutigen wollte. Ein Jahr, nachdem er den Satz niedergeschrieben hat, liest McManus ihn mit ganz neuen Augen. Eine Krebsdiagnose holt ihn auf den harten Boden der Tatsache zurück, dass er womöglich schon sehr bald sterben wird. An dieser Erfahrung gereift, hilft sein neues Buch dem Leser, ohne Reue auf das Leben zurückblicken zu können und die Zeit sinnvoll zu nutzen, die ihm zur Verfügung steht. 'Von allen meinen Büchern hat Der letzte Pfeil die größte persönliche Bedeutung für mich.' (Erwin McManus)

Erwin Raphael McManus, geb. 1958 in El Salvador, ist ein US-amerikanischer baptistischer Pastor der Mosaic-Church in Los Angeles, Lehrer und Autor mit salvadorianischen Wurzeln. Er ist Professor am Bethel Theological Seminary, wo er sich mit dem Spezialgebiet 'Kirche der Zukunft' beschäftigt. Seine Bücher, in denen er für ein vitales, kraftvoll gelebtes Christentum plädiert und den Weg dazu weist, sind weltweite Bestseller.

1.Von hier aus kein Zurück

William Osborne McManus heiratete meine Mutter, als ich etwa drei Jahre alt war. Er war nicht mein leiblicher Vater, und er hat mich oder meinen Bruder nie legal adoptiert, aber er war im Grunde der einzige Vater, den ich je kannte. Wir kamen uns nahe, und ich kann mir vorstellen, dass ich ihn in meiner Kindheit so sehr liebte, wie ein Sohn einen Vater nur lieben konnte. Als kleiner Junge nannte ich ihn Dad. Später war er für mich einfach nur Bill.

Dieser Mann war in jeder Hinsicht ein Widerspruch in sich. Er war warmherzig und einnehmend, charismatisch und gewinnend. Gleichzeitig war er ein Betrüger, für den die Wahrheit einfach nur ein Stoff war, den er in die Lügen einwebte, mit denen er sich gerade durchlavierte. Ich weiß noch, wie der FilmCatch Me If You Can mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle herauskam. Mein Bruder Alex rief mich an und sagte: „Hast du den Film gesehen? Das ist Dad.“ Ich hatte genau den gleichen Gedanken, als ich im Kino saß und mir den Film ansah. Wenn du meine Kindheit verstehen willst –​ da hast du sie in zwei Stunden zusammengefasst.

Im Lauf der Jahre hat Bill meiner Familie tiefen Schmerz zugefügt mit seiner Rücksichtslosigkeit gegenüber meiner Mutter und meinen beiden kleinen Schwestern, die seine leiblichen Töchter waren. Als er uns verließ –​ ich war siebzehn Jahre alt –​ war von all der Liebe, die ich für ihn empfunden hatte, nur noch Verachtung übrig. An diesem Tag muss er wohl in meinen Augen gesehen haben, was ich fühlte und dachte, denn er kam aggressiv auf mich zu. Instinktiv wollte ich ängstlich zurückweichen, doch dann war mein Zorn stärker, und ich stellte mich. Als er vor mir stand, sagte er: „Schlag mich. Das willst du doch, oder? Zeig mal, ob du genug Mumm in den Knochen hast.“

Ich sah ihn an und sagte: „Du bist die Mühe nicht wert.“

Während er in seinen Wagen stieg, flehten meine beide kleinen Schwestern mich an, irgendetwas zu tun, damit es zur Versöhnung kam. Ich ging nach draußen und bat ihn inständig, nicht zu gehen. Das Letzte, was ich von ihm an diesem Tag in Erinnerung habe, war sein Gesicht jenseits der Windschutzscheibe, als er mich beim Anfahren mit dem Kotflügel streifte.

Selbst nach diesem schicksalhaften Tag fanden wir einen Weg, uns zu versöhnen und telefonisch in Kontakt zu bleiben, wenn auch nur sehr sporadisch. Aber an dem Sprichwort ist etwas Wahres dran: Was zerrissen wurde, kann man nicht flicken. Schließlich heiratete Bill wieder, und etwa zur gleichen Zeit heiratete auch ich. Als wäre es ein Drehbuch, waren seine neue Frau und meine Frau Kim zur gleichen Zeit schwanger. Aber aus vielerlei Gründen, die ich nicht alle erklären kann, traf ich die schwere Entscheidung, meinen Stiefvater in der Vergangenheit zurückzulassen und mich darauf zu konzentrieren, für meine Familie eine Zukunft aufzubauen, in der Bill keine Rolle spielte.

Ehe ich mich versah, waren fünfzehn Jahre vergangen –​ Jahre, in denen Bill und mein Sohn Aaron sich nie begegneten. Aaron war der erste echte McManus in unserer Familie. Ich hatte den Namen McManus von Bill übernommen, ohne dass er jemals amtlich mein Vater geworden wäre. Und wie die Ironie es wollte, hieß er nicht einmal wirklich McManus –​ das war nur ein Pseudonym, das er sich zugelegt hatte. Er war einer von den Leuten, die immer auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit sind, und seine falsche Identität war ein Teil dieser Flucht. Aaron schließlich kam als Erster rechtmäßig zu diesem Namen.

Als Aaron fünfzehn