: Thomas Grasberger
: Gebrauchsanweisung für München Aktualisierte Neuausgabe 2020
: Piper Verlag
: 9783492997522
: 1
: CHF 11.40
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: Deutschland
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Manche glauben, München bestehe nur aus Dallmayr und Maximilianstraße, Käfer-Zelt und Schickimicki, Freizeitspaß im Voralpenland und einer Stadtsilhouette ohne Hochhäuser. Aber München ist mehr. Hinter den Kulissen der Film- und Bierstadt gibt es Skurriles und Vielfältiges zu entdecken, nicht nur im Englischen Garten oder an den Stammtischen der bayerischen Grantokratie. Thomas Grasberger ergründet das kulturelle Leben jenseits von Oktoberfest, Gasteig und Tollwood; er erkundet die Seele des »echten« Münchners, seine Föhnfühligkeit und andere Hinterfotzigkeiten des lokalen Wetters. Der Autor führt uns in eine Zeit, als Schwabing noch Boheme bedeutete und Giesing noch ein Arbeiterviertel war.

Thomas Grasberger, 1964 in Altötting geboren, studierte in Bangkok und der bayerischen Landeshauptstadt, wo er auch die Journalistenschule absolvierte. Er arbeitete u. a. für die SZ und Die Welt; seit 2000 ist er fest-freier Journalist beim Bayerischen Rundfunk. In seinen Radiofeatures, Fernsehdokumentationen und Büchern wie »Grant. Der Blues des Südens« spürt Grasberger dem bairischen Lebensgefühl nach. 2017 wurde er mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet und im selben Jahr zur renommierten Literatenvereinigung Münchner Turmschreiber berufen. Mit seiner Familie lebt er in der Münchner Maxvorstadt.

Ankunft


Eine Annäherung an München ist zu Wasser, zu Lande und aus der Luft möglich. Welches das günstigste und schnellste Verkehrsmittel ist, vermag derzeit niemand wirklich zu sagen. Was den Wasserweg angeht, müssen wir zu unserem Bedauern feststellen, dass es mit den fahrplanmäßigen Verbindungen auf der Isar, den sogenannten Ordinariflößen, nicht mehr allzu weit her ist. Dabei war es einst eine durchaus gängige Methode der Anreise. Schon Mitte des 17. Jahrhunderts fuhr jeden Montag und jeden Freitag Punkt sieben Uhr früh ein Floß von Mittenwald nach München hinein. Später kam der Fernverkehr hinzu, von München nach Landshut, ja sogar bis nach Wien hinunter. Schade, dass es sie nicht mehr gibt, denn solche Fahrten waren wohl eine recht heitere Angelegenheit. Auf einem einzigen Floß wurde vermutlich mehr Alkohol ausgeschenkt als bei allen zeitgenössischen Airlines zusammen. Was die Sache nicht eben ungefährlich machte, denn so manches Mal knallte ein schwer angeheiterter Flößer mit seinem Gefährt samt Fracht und Passagieren gegen einen Brückenpfeiler.

Vielleicht wurde auch deshalb 1825 der fahrplanmäßige Passagierverkehr aufgegeben. Heute gibt es nur mehr die bierseligen Gaudifloßfahrten, die als zeitgemäßes Verkehrsmittel nicht wirklich zu empfehlen sind. Wer also unbedingt am Wasserweg festhalten wollte, müsste schwimmen. Was beim Wasserstand der Isar mancherorts mit aufgeschlagenen Knien enden würde, auch wenn mit der Renaturierung des Flusses die Restwassermenge größer und die Qualität des Isarwassers besser geworden ist. Für größere Schiffe reicht es aber wohl noch nicht ganz. Der zeitgenössische Besucher nimmt also lieber sein Auto für eine Reise nach München. Doch auch damit kann es an manchen Tagen zu Verzögerungen kommen. Von Norden her, auf derA 9 fahrend, kommt er nämlich in der Regel ungefähr bei Eching zu stehen. Von Süden her, auf derA 8, in der Gegend um Brunnthal. So oder so, er wird viel Zeit haben, sich zu fragen, warum er nicht doch besser geschwommen ist.

Beliebt sind auch die Reisen mit der Eisenbahn. Gleichwohl sind auch dabei gewisse Fallstricke nicht ohne Weiteres auszuschließen. Unerfahrene Reisende könnten aus lauter Vorfreude versucht sein, schon im Bahnhof München-Pasing aus dem Zug zu springen. Sollte Ihnen als Debütant ein solches Missgeschick widerfahren, bleiben Sie ganz ruhig, verlieren Sie nicht die Nerven, und beachten Sie folgenden Drei-Punkte-Notfallplan: 1. Verlassen Sie nie den Bahnhof Pasing! 2. Vergessen Sie alles, was Sie gesehen haben, warten Sie auf den nächsten Zug nach Augsburg, und fahren Sie zurück! 3. Machen Sie von Augsburg aus einen erneuten Anlauf zum Münchner Hauptbahnhof. Sie wissen ja, es ist immer die erste Begegnung mit einer Stadt, die beim Gesamteindruck besonders zählt, weil sich unwiderrufliche Eindrücke im Gehirn einprägen. Heben Sie sich Pasing lieber für später auf!

Wem all dies gleich am Anfang viel zu gefährlich erscheint, der nehme das angeblich schnellste und sicherste Verkehrsmittel unserer Tage. Ein Flug von Hamburg nach München dauert nur eine Stunde. Außer es ist gerade Sommer und es hängen mehrere Gewitter über München. Dann kann so ein Rundflug in der Warteschleife auch schon mal fünf Stunden dauern. Vielleicht sitzen Sie ja gerade in einem Flugzeug, wenn Sie diese Zeilen lesen. Die Maschine fliegt eine steile Kurve, die Stewardess hat Sie soeben freundlich aufgefordert, Ihren Gurt anzulegen, und aus dem Deckenlautsprecher näselt Ihr Kapitän irgendetwas Unverständliches von »Landeanflug«. Sollten Sie einen Fensterplatz haben, dann schauen Sie doch einfach mal hinaus. Mit etwas Glück sehen Sie unter sich die Burg Trausnitz und den größten klerikalen Backsteinbau der Welt, die Martinskirche. Beide gehören unwiderruflich zur niederbayerischen Stadt L