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Kapitel II:
Die Zukunft der Welt
Die Frage nach dem Morgen bewegt jeden Menschen. Der radikalste Agnostiker, der sie grundsätzlich verweigern will, geht doch am nächsten Morgen zum Arzt, wenn ihn die Schmerzen plagen.
Durch die ganze Menschheitsgeschichte zieht sich die optimistische Erwartung einer besseren Zeit. Bis heute berühmt ist die vierte Ekloge des jungen Vergil aus dem Anfang der augusteischen Zeit (40 v.Chr.), die mit der Herrschaft des Augustus die Hoffnung auf ein neues herrliches Zeitalter verbindet: »Sieh, wie alles sich freut der goldenen Zeit, die bevorsteht.«59 Fortschrittsoptimismus wurde eines der Kennzeichen der europäischen Aufklärung. Verdichtet hat sie sich in Gotthold Ephraim Lessings programmatischer SchriftDie Erziehung des Menschengeschlechts von 1777.60 Sie lebt von der Überzeugung, dass die Menschheit auf die »höchste[n] (sic!) Stufen der Aufklärung und Reinigkeit« kommen werde (§ 81), dass wir auf »die Zeit der Vollendung« zugehen, »da der Mensch […] das Gute tun wird, weil es das Gute ist« (§ 85). Geradezu seicht sind demgegenüber die Sätze gegenwärtiger Wahlkämpfe, wie das »We can« oder »Wir schaffen das«.
Sehr viel anders redet die Weisheit der Lehrer Israels. Immer wieder mahnen sie zur Zurückhaltung im Urteil. So nach denSprüchen der Väter aus dem 1. Jahrhundert n.Chr.: »Ich […] fand nichts Besseres als das Schweigen.«61 Menschliche Weisheit ist nicht in der Lage, die Zukunft vorauszusagen. So schon der Prediger (Kohelet 8,7): Der Mensch »weiß nicht, was geschehen wird, ja wer will ihm sagen, wie es werden wird?«
Von da aus ist der Schritt nicht mehr weit zu einer pessimistischen Sicht der Dinge. Die Lehrer Israels waren noch gehalten durch ihren Gottesglauben. Aber wenn dieser Gottesglaube schwindet, kommt die Frage, wer oder was noch für eine gute Zukunft bürgt. Kann der Mensch die Last der Verantwortung tragen? Beeindruckend ist hier das Beispiel des Club of Rome. Im Jahr 1972 veröffentlichten Dennis Meadows und andere seinen Forschungsbericht unter dem TitelDie Grenzen des Wachstums.62 Sie gingen aus von »fünf wichtigen Trends«: »der beschleunigten Industrialisierung; dem rapiden Bevölkerungswachstum; der weltweiten Unterernährung; der Ausbeutung der Rohstoffreserven und der Zerstörung des Lebensraumes«.63 Fazit der Untersuchungen: Es wird zu einer »Katastrophe«, einem weltweiten Kollaps kommen, der »nur bei grundsätzlicher Änderung der Wert- und Zielvorstellungen des Einzelnen, der Völker und auf Weltebene« vermieden werden kann.64 Bis heute ist eine solche grundsätzliche Änderung nicht geschehen. Seit meiner Schulzeit ist die Weltbevölkerung von 2,5 auf über 7,5 Milliarden gestiegen. Viele Tierarten sind schon ausgestorben. Bleibt da nur eine pessimistische Weltsicht übrig? Eine solche wird auch durch weitere Faktoren nahegelegt. Dazu gehören die dem Menschen innewohnende Existenzangst und die traumatische Erfahrung, dass sich das Böse immer wieder durchsetzt.
Es ist interessant, dass sich die historisch-kritische Bibelauslegung ein Ende der Welt weithin nur in Form einer »Naturkatastrophe«, eines innerweltlichen Geschehens also, vorstellen kann, nicht aber als Folge eines göttlichen Eingriffs, zum Beispiel durch die Wiederkunft Christi. Wir zitieren drei Beispiele. Im Jahr 1941 hielt Rudolf Bultmann seinen berühmten Vortrag überNeues