Zwei
Mein Sohn, Uhtred. Es war merkwürdig ihn so zu nennen, zumindest am Anfang. Er hatte beinahe zwanzig Jahre lang Osbert geheißen, und ich musste mich überwinden, um seinen neuen Namen zu benutzen. Vielleicht war es meinem Vater ebenso ergangen, als er mich umbenannt hatte. Nun, als wir von Tameworþig zurückritten, rief ich Uhtred an meine Seite. «Du hast noch nicht in einem Schildwall gekämpft», sagte ich zu ihm.
«Nein, Vater.»
«Du bist kein Mann, ehe du das getan hast.»
«Ich will es tun.»
«Und ich werde dich beschützen», sagte ich. «Ich habe einen Sohn verloren, ich will nicht noch einen verlieren.»
Wir ritten durch ein feuchtes, graues Land. Es wehte kaum Wind, und das nasse Laub hing schwer an den Bäumen. Die Felder schienen nur kümmerlichen Ertrag zu bringen. Es wurde langsam dunkel, und von Westen breitete sich graues Abendlicht aus, das auf den regennassen Feldern schimmerte. Zwei Krähen flogen langsam auf die Wolken zu, die vor der untergehenden Sonne standen. «Ich kann dich nicht für immer beschützen», sagte ich. «Früher oder später wirst du in einem Schildwall kämpfen müssen. Du wirst dich selbst schützen müssen.»
«Das weiß ich, Vater.»
Doch es war nicht die Schuld meines Sohnes, dass er sich noch nie bewiesen hatte. Der unbehagliche Friede, der sich wie feuchter Nebel auf Britannien gesenkt hatte, bedeutete, dass die Krieger in ihrem Palas blieben. Es hatte viele kleine Gefechte gegeben, aber – seit wir die Speerdänen in Ostanglien niedergemacht hatten – keine Schlacht. Die Christenpriester sagten gern, ihr Gott habe uns den Frieden gewährt, weil es sein Wille war, aber in Wahrheit war es mangelnder menschlicher Ehrgeiz, der uns diesen Frieden gebracht hatte. König Edward von Wessex war es zufrieden, zu verteidigen, was er von seinem Vater geerbt hatte, und zeigte wenig Ehrgeiz, dieses Gebiet zu vergrößern. Æthelred von Mercien pflegte in Gleawecestre seinen Missmut, und Cnut? Er war ein großer Krieger, aber auch vorsichtig, und vielleicht war ihm seine neue Frau Abwechslung genug gewesen, nur dass jetzt jemand seine Frau und seine Zwillinge verschleppt hatte. «Ich mag Cnut», sagte ich.
«Er war großzügig», sagte mein Sohn.
Auf diese Bemerkung ging ich nicht ein. Cnut war in der Tat ein großzügiger Gastgeber gewesen, aber das war die Pflicht eines Herrn. Doch auch hier hätte ich genauer nachdenken sollen. Das Festmahl in Tameworþig war üppig gewesen, und es war vorbereitet worden, was bedeutete, dass Cnut wusste, dass er mich eher unterhalten als töten würde. «Eines Tages werden wir ihn umbringen müssen», sagte ich, «und seinen Sohn, falls er seinen Sohn jemals findet. Sie stehen uns im Wege. Aber im Augenblick tun wir, um was er bittet. Wir finden heraus, wer seine Frau und seine Kinder gefangen genommen hat.»
«Warum?», fragte er.
«Warum was?»
«Warum helfen wir ihm? Er ist Däne. Er ist unser Feind.»
«Ich habe nicht gesagt, dass wir ihm helfen», knurrte ich. «Aber wer auch immer Cnuts Frau mitgenommen hat, plant etwas. Und ich will wissen, was das ist.»
«Wie heißt Cnuts Frau?», fragte er.
«Ich habe ihn nicht gefragt», sagte ich, «aber ich habe gehört, dass sie eine Schönheit ist. Nicht wie die dicke kleine Näherin, die du jede Nacht beackerst. Die hat ein Gesicht wie ein Ferkelarsch.»
«Ich schaue ihr nicht ins Gesicht», sagte er, dann runzelte er die Stirn. «Hat Cnut gesagt, dass seine Frau in Buchestanes gefangen wurde?», fragte er.
«Das hat er gesagt.»
«Ist das weit im Norden?»
«Weit genug.»
«Also soll ein sächsischer Trupp so weit auf Cnuts Gebiet geritten sein, ohne dass ihn jemand gesehen oder herausgefordert hat?»
«Das habe ich auch einmal gemacht.»
«Aber du bist Herr Uhtred, der Wunderwirker», sagte er grinsend.
«Ich bin dorthin geritten, um die Zauberin zu sehen», erklärte ich ihm und dachte an die seltsame Nacht und die wunderschöne Kreatur, die in meiner Vision zu mir gekommen war. Ihr Name hatte Erce gelautet, doch am nächsten Morgen war nur das hässliche alte Weib da gewesen. Ælfadell. «Sie kann die Zukunft lesen», sagte ich, aber Ælfadell hatte nichts über Bebbanbur