: Kumendo Kiun
: Der Engelsvampir von Kirlungen
: Books on Demand
: 9783753433677
: 2
: CHF 2.60
:
: Fantasy
: German
: 280
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Michael ist ein gewöhnlicher Jugendlicher, als er sein normales Leben verliert und zu einem Vampir wird. Schnell lernt er den hitzköpfigen Franco kennen, der mit ihm den ominösen Mr. Smith aus dem Weg räumen will. Gleichzeitig darf jener aber nichts über die Nacht erfahren, in der Michael sich verwandelt hat.

Kumendo Kiun ist ein aus Berlin stammender Autor. Sein dialoglastiger Schreibstil verleiht seinen Geschichten oft ein schnelles Tempo, was ideal für Leser ist, die ein ausgeprägtes Kopfkino haben.

Kapitel I
Die Federn eines Engels


Ist es nicht faszinierend, wie die Menschen sich verändern? Ein Kind wächst heran und die Persönlichkeit und der Charakter prägen sich aus und entwickeln sich stetig weiter. Mit jeder bewältigten Herausforderung werden wir stärker und stärker. Mit jedem Scheitern bauen wir mehr und mehr ab. Es ist fast wie eine Kettenreaktion. Hast du das schon mal bei jemanden gesehen? Vielleicht sogar bei dir selbst?

Es ist ein einziges Chaos. Mitten im Raum steht ein Stuhl vor einem alten Fernseher. Sofern man das einen Stuhl nennen kann. Er muss von Chiropraktikern erfunden worden sein, um sich für das Alter abzusichern. Die Sitzfläche befindet sich nur wenige Zentimeter über dem Boden und ist wohl eher zum Liegen als zum Sitzen gedacht. Hinter dem Stuhl steht ein Tisch, der als Ablage verschiedenster Zettel und Hefter dient. Ohne jegliche Ordnung liegen diese quer übereinander. An den Wänden reihen sich Poster von Filmen und Bands aneinander. Zwei kleine Kleiderschränke und einen Schreibtisch, auf dem ein kümmerlicher Kaktus steht, gibt es auch.

Michael liegt daneben in seinem Bett und schläft. Seine dunklen Haare liegen ihm direkt vor den Augen. Er hat seine Decke mit den Füßen abgestrampelt und doch schwitzt er ein wenig.

Die Luft staut sich in seinem Zimmer, obwohl das Fenster weit aufgerissen ist.

Schaut man hinaus, konkurrieren Fluss, Autobahn und die vorbeifahrenden Züge um Aufmerksamkeit. Alles leuchtet in den verschiedensten Farben. Ein starker Kontrast zum Raum selbst, in dem nichts bunt ist. Das rote Mobiltelefon auf dem Nachttisch sticht da geradezu hervor, nicht zuletzt deswegen, da es vibriert und die Melodie einer längst abgesetzten Kinderserie spielt.

Michaels Hand greift nach dem Fernsprecher. Er selbst bleibt erschöpft liegen.

M:»Jo Jakob, was gibt’s?«

Stimme:»Hier ist nicht Jakob.«

M:»Wer sollte mich sonst auf meinem Handy anrufen? Also was gibt es?«

J:»Nix, nix. Bock auf ’ne Tour?«

M:»Wie spät ist es?«

J:»Woher soll ich das wissen? Aber es ist gerade schön ruhig und ich hab’ Lust zu reden.«

M:»Ernsthaft? Ich hab’ nicht mal ’ne Hose an.«

J:»Du glaubst wohl, dass mich das schneller laufen lässt, was? Ich hol’ dich ab. Bis gleich.«

Michael schaut auf sein Handy, um die Uhrzeit zu sehen, und seufzt.

M:»Zeit zum Aufstehen. Nicht wirklich.«

Dennoch richtet sich der Körper auf und streift sich lustlos Kleidungsstücke über die Haut, die von Schweißperlen mäßig gebremst werden, als wollten sich die eigenen Zellen wehren. Michael geht ruhig an das Fenster. Auch wenn er noch nicht sehr alt ist oder gerade deswegen, erinnert ihn die Abendluft stets an seine Kindheit. Verträumt schaut er nach draußen und vergisst dabei die Zeit. Die Vergangenheit läuft wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. Wie er mit Jakob auf der geschützten Grünanlage Fußball gespielt hat. Wie er dabei das eine mal in den Hundehaufen gefallen ist. Wie er nach der Grundschule unbedingt auf Jakobs Schule wollte. Wie sie zusammen für eine Arbeit lernen wollten und stattdessen bis spät in die Nacht Filme geschaut und Videospiele gespielt haben.

Er ist so in Gedanken versunken, dass er kaum die Türklingel hört. Und obwohl er sie gehört hat, bewegt er sich nicht. Nach einem zweiten Bimmeln gähnt Michael kurz und geht langsam an die Sprechanlage.

M: »Bin gleich unten.«

Er dreht sich zurück zum Flur.

M:»Ich treff’ mich noch mal kurz mit Jakob. ’ne Stunde oder zwei.«

Stimme vom anderen Ende des Flurs:»Alles klar! Viel Spaß!«

Die beiden Jungs treffen sich vor der Haustür. Jakob dreht sich mit einem Lächeln um. Der blonde Junge mit den blauen Augen trägt selbst im Sommer eine Mütze. Das ergibt ein komisches Bild, da er gleichzeitig in T-Shirt und kurzer Hose unterwegs ist. Allerdings ist sein Ohrring das herausstechende äußerliche Merkmal.

J:»Na endlich, ich dachte, du bist auf dem Weg nach unten eingeschlafen.«

M:»’tschuldige. Ich hab’ mich verlaufen. Links oder rechts?«

Michael zeigt auf den Gehweg und auf den Gehweg auf der überliegenden Straßenseite.

J:»Lass uns über die Straße gehen.«

Beide laufen los.

J:»Ich muss dir was erzählen. Der Buchladen ist noch offen und die Frau, die da arbeitet, sieht echt so gut aus.«

M:»Für dich sieht doch jede gut aus.«

J:»Nein nicht so. Die ist auch schon etwas älter, aber sie ist einfach schön, weißt du? So eine schöne Frau einfach. Man kann sie angucken, auch ohne was Besonderes dabei zu fühlen, weißt du? Ich kann das nicht erklären.«

M:»Ich versteh dich schon. Sie ist schön wie ein Gemälde oder ein Sonnenuntergang, nur dass du so was mal denkst hätte ich nicht erwartet. Du wirst ja noch zum Romantiker.«

J:»Ja eben. Ich bin vielschichtig. Jetzt tu mal nicht so als würdest du mich nicht kennen. Und trotzdem manchmal weißt du so genau wovon ich rede, als wärst du ein 200 Jahre alter Weiser oder so was.«

M:»Der, der so alt ist, bist du.«

J:»Ja, wenn man aufrundet schon.«

M:»Und deine Sichtweisen sind noch älter.«

Michael bleibt kurz stehen.

M:»Guck mal einer an. Der Buchladen hat schon zu.«

J:»Ja, egal. Du hast sie ja bestimmt schon mal gesehen.«

M:»Um ehrlich zu sein nicht.«

J:»Oh Mann. Versuch sie das nächste Mal sehen, wenn du hier vorbeiläufst. Du wirst Augen machen. Aber apropos, wie sieht’s eigentlich bei dir in der Beziehung aus?«

M:»Meinst du wirklich, ich kann dir das so erzählen? Soweit solltest du mich auch kennen.«

J:»Ich hab’ dir auch erzählt, wen ich gut finde.«

M:»Ja, die Büchertussi. Toll.«

J:»Komm schon. Ich will’s wissen. Vielleicht kann ich dir helfen.«

M:»Na gut, ich erzähl’s dir. Allerdings bezweifle ich, dass du mir helfen kannst. Aber na ja da gibt’s dieses Mädchen. Sie ist eine Klassenstufe unter uns. Vielleicht hast du sie schon mal auf dem Schulhof gesehen, auch wenn sie keine Brille trägt und kein Bücherwurm ist.«

J:»Dann hast du die Frau in der Bücherei doch gesehen! Du bist ein Typ, ey. Aber woher willst du wissen, dass sie kein Bücherwurm ist? Du hast sie bestimmt nicht angesprochen. Aber ich glaube, ich weiß schon, wen du meinst. Ungefähr so ’ne Haarfarbe wie ich, nur ein bisschen länger, aber auch nicht viel. Soll ich dir mal was sagen? Die guckt dir immer hinterher.«

M:»Als ob. Du willst doch nur, dass ich mich blamiere.«

J:»Doch, ich schwöre es dir. Du solltest sie ansprechen, solange sie noch Interesse hat. Ich mein, solange sind wir auch nicht mehr auf der Schule.«

M:»Vielleicht ist es deswegen gerade klüger sie erst zu fragen, wenn wir quasi fertig sind. Sonst seh’ ich sie jeden Tag. Das ertrag ich nicht.«

J:»Idiot, wenn sie glaubt, dass wir schon quasi fertig sind und du nix gemacht hast, denkt sie, dass du kein Interesse hast und lenkt sich mit was oder wem anderes ab. Frauen überlegen, da nicht lange. Danach ist die Tür zu, für immer. Und du fragst dich dein Leben lang was gewesen wäre, wenn du nicht so ein Schisshase gewesen wärst. Und ich darf dann das ganze nächste Jahr deine traurige Fresse sehen.«

M:»Du musst mich ja nicht angucken. Ich mach das schon wie ich denke.«

J:»Okay, wir sehen ja dann, was dabei rauskommt. Ich glaube, am Ende bin ich eh der Angeschissene.«

M:»Das wäre ja ganz was Neues. Aber wenn du schon so das Maul aufmachst, wie läuft es dann bei dir, du Held? Gibt es da noch jemanden außer die zwanzig Jahre ältere Bücherfrau? Ich mein, auf schlaumachen kann jeder. Wie sieht’s bei dir aus?«

J:»Bei mir ist nix los. Keine Gefühle jedenfalls. Aber na ja was soll man machen. Ich zwing mich auch zu nichts. Wenn’s passieren soll, passiert’s. So ist das.«

M:»Na dann. Aber nicht, dass du dich in mich verliebst.«

J:»Guter Witz, du Hässlicher.«

M:»Höre ich da etwa Neid in deiner Stimme?«

Jakob lächelt und antwortet nicht. Michael stößt ein kleines Seufzen aus.

M:»Aber ja, mit den Frauen ist das schon nicht einfach. Irgendwo müsste alles nicht so kompliziert sein, weil sie doch genauso sind wie wir. Schüchtern, ängstlich, aufgeregt, verliebt. Auf der anderen Seite gibt es dann Typen, die sind gar nicht wie wir. Die sind dann nur auf das eine aus. Wollen ihr Ego befriedigen, weil jemand sie toll findet oder den anderen nur ausnutzen, weil er Geld hat oder angesehen ist. Vielleicht sogar, weil sie glauben sie hätten irgendeinen Status und müssen sich mit Leuten treffen, die auch...