1. KAPITEL
Indie
Sechs Monate später
Tapp-tapp. Tapp-tapp-tapp-tapp-tapp.
Unermüdlich wie ein Specht trommelten meine Schuhsohlen auf den Granitboden. Ich grub die Fingernägel in meine Schenkel, damit sie aufhörten, im Takt meines törichten, flatternden Herzens zu zucken.
Sei still, Herz.
Entspann dich, Herz.
Mach nicht so einen Wirbel, Herz.
Es gab keinerlei Grund zur Panik. Nicht den geringsten.
Ich würde den Job kriegen.
Ich hob den Kopf und schenkte der Frau mir gegenüber mein sonnigstes, enthusiastischstes Lächeln.
»Als wir den Posten einer persönlichen Assistentin ausschrieben, haben wir gewissermaßen – nun ja, wie soll ich es ausdrücken …?Gelogen.« Sie klappte ihr silbernes MacBook zu und klopfte mit ihren schmalen, manikürten Fingern darauf, die ein Ring zierte, für dessen Gegenwert man schätzungsweise mein halbes, zunehmend populär werdendes Wohnviertel hätte kaufen können.
Mir schnürte sich die Kehle zu, ich strich meinen verschossenen Bleistiftrock glatt. Er war mir um die Taille zwei Nummern zu weit, und eigentlich gehörte er gar nicht mir, sondern Natasha, der Frau meines Bruders. Da ich sonst immer nur Rückmeldungen von Kettenrestaurants bekam, die keine formelle Kleidung verlangten, hatte ich improvisieren müssen. Ich ließ meine gekreuzten Fußknöchel unter dem Stuhl verschwinden, um meine silbernen Stiefeletten dem Blick meiner Gesprächspartnerin zu entziehen. Diesen Teil meiner Persönlichkeit hatte ich vergessen zu kaschieren.
Das komplette Büro der Frau strotzte vor Luxus. Der elegante weiße Schreibtisch, die mit alabasterfarbenem Leder bezogenen Sitzgelegenheiten, der bronzene Kronleuchter, der sich zwischen uns von der Decke ergoss wie ein Regen aus goldenen Tropfen. Vom Panoramafenster ging der Blick auf das Hollywood Sign – dieses glamouröse Symbol für gebrochene Versprechen. Es war so nah, dass man die Schmutzschicht auf den weißen Lettern erkennen konnte. Der Raum hatte die Größe eines Ballsaals. Es war kein Zufall, dass es darin nicht einen Hauch von Farbe oder Persönlichkeit gab.
Jenna Holden, mächtige Agentin großer Hollywoodstars und Eigentümerin derJHE-Gruppe, hatte nicht die Zeit, sich von ihrer persönlichen Seite zu zeigen. Schon gar nicht jemandem wie mir.
»Sie suchen gar nicht nach einer persönlichen Assistentin?« Das künstliche Lächeln rutschte mir vom Gesicht. Ich war auf diesen Job so dringend angewiesen wie der FilmBoogie Nights auf Mark Wahlbergs beachtliche Ausstattung. Ich brauchte ihnunbedingt. Nicht zuletzt deshalb, weil ich bei meinem Bruder, seiner Frau und ihrem Kind wohnte und sie es, sosehr sie mich liebten, mit Sicherheit vorziehen würden, ihre Zweizimmerwohnung nicht mit