: Sheila O?Flanagan
: Das kleine Glück am Weihnachtsabend Große Gefühle zu Weihnachten in einem kleinen Hotel in Irland
: Insel Verlag
: 9783458764250
: 1
: CHF 12.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

E n warmherziger Feel-Good-Roman zur Weihnachtszeit

Die irische Bestsellerautorin Sheila O'Flanagan erzählt warmherzig und mit feinem Humor Geschichten von Liebe und Eifersucht, Beziehungskrisen und Familiengeheimnissen, und wie sich am Ende vieles fügt zum kleinen Glück am Weihnachtsabend.

<p>Sheila O'Flanagan<strong></ trong>arbeitete viele Jahre sehr erfolgreich als Börsenmaklerin in Dublin, bevor sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane veröffentlicht und ist in England und Irland eine gefeierte Bestsellerautorin. Nebenbei schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der<em>Irish Times</em>.</p>

Prolog
Die Sugar Loaf Lodge


Die Sugar Loaf Lodge war eigentlich gar keine Lodge, sondern ein großer Landsitz, Ende des 18. Jahrhunderts von einem unbedeutenden englischen Earl bewohnt, dessen Familie Ländereien im irischen County Wicklow geerbt hatte. Die Familie – der Earl, seine Gattin und vier Kinder – verbrachte nur einen einzigen Sommer in dem Haus, das am Fuß des legendären Sugar Loaf Mountain lag, ehe sie überstürzt nach England zurückkehrte. Der Grund für die abrupte Abreise war unklar, aber man munkelte, eines der Kinder sei krank geworden und gestorben, woraufhin Earl und Countess, zutiefst getroffen, es nie wieder übers Herz brachten, ihre Sommervilla zu betreten.

Als der Earl einige Jahre später starb, fiel der Besitz an seinen ältesten Sohn, dessen Ehe kinderlos blieb; weil er keine Erben hatte, kümmerte ihn auch nicht besonders, was mit dem Landsitz geschah. Er verbrachte nur wenig Zeit dort und nach seinem Tod verfiel das Haus rasch. Die efeuüberwucherten Mauern bröckelten, die feuchte irische Luft eroberte die großen Räume, und in den ehemals sorgfältig im Zaum gehaltenen saftig-grünen Gärten übernahm der Wildwuchs das Regime. Da sich allerlei Legenden um das verfallene Gemäuer rankten, machten die Einheimischen einen großen Bogen darum; so ging beispielsweise das Gerücht, man könne den Geist des toten Kindes traurig durch die Ruinen wandern sehen. Sollte man des Geistes ansichtig werden (niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte), stehe einem Unglück ins Haus, also hielten die Leute lieber Abstand. Schließlich ging der Besitz an den Staat über, der auch kein besonderes Interesse daran hatte. In den 1970ern wurden ein paar halbherzige Instandsetzungsversuche in Angriff genommen, aber erst gut dreißig Jahre später liehen sich Neil und Claire Archer einen Haufen Geld zusammen, renovierten den Herrensitz liebevoll und machten schließlich ein exklusives Landhotel daraus. Familie und Freunde sagten ihnen schlankweg, sie müssten verrückt sein. In der Tourismusbranche sei kein Geld zu machen, unkten sie. Große Unternehmen machten es der Steuererleichterungen wegen, aber für Otto Normalhotelbesitzer sei es bloß Knochenarbeit ohne Profit.

»Wir wollen keine Multimillionäre werden«, erklärte Claire ihnen ruhig. »Wir machen das, weil es uns Spaß macht.«

»Ihr habt doch keine Ahnung von der Materie, ihr seid Amateure«, warnte Neils Vater, ein Rechtsanwalt, der wollte, dass Neil in seine Fußstapfen trat, und ohnehin fand, Neil wäre als Hotelbesitzer mental unterfordert.

»Aber begabte Amateure. Außerdem habe ich eine Ausbildung im Gastgewerbe absolviert«, erinnerte Claire ihn. »Und in England drei Jahre lang ein Hotel geführt.«

»Das ist etwas völlig anderes«, sagte Alan Archer. »Da hing nicht eure Existenz davon ab.«

»Wir sind gut vorbereitet«, sagte Claire.

»Wie das denn?« Alan war nicht überzeugt.

»Mit einem guten Businessplan«, erklärte sie ihm, obwohl ihr der enorm hohe Kredit, den sie aufgenommen hatten, Angst einjagte. Doch sie wusste, schlussendlich würde sich alles auszahlen. Und ihr Hotel das beste in Irland sein.

Fünf Jahre nachdem sie sich auf dieses Wagnis eingelassen hatten, war aus der Sugar Loaf Lodge genau das von ihnen erhoffte Schmuckstück geworden. Groß genug, dass die Gäste einander nicht zu dicht auf die Pelle rückten, aber klein genug, dass die Gemütlichkeit eines Landhauses gewahrt blieb. Mit seinem preisgekrönten Restaurant und dem atemberaubenden Wellnessbereich galt die Sugar Loaf Lodge als grandiose Ruheoase in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt. Jedes der Zimmer war nach einem der Dublin Mountains oder Wicklow Mountains benannt; die sorgfältig ausgesuchte Dekoration spiegelte die Atmosphäre der Gegend wider, die als Garden of Ireland bekannt ist. Trotz der hohen Preise waren sie fast immer ausgebucht und regelmäßig gab es auf der Webseite des Hotels neue überschwängliche Bewertungen. (Genauer gesagt, die meisten waren positiv; Claire war eingeschnappt, als einige der Gäste sich über die Qualität der Fahrräder beschwerten, die das Hotel für Ausflüge zur Verfügung stellte und die sie für völlig ausreichend hielt. Offenbar waren die Leute nicht davon begeistert, dass sie in den Bergen tüchtig in die Pedale treten mussten.)

Was jedoch am besten ankam, waren Claire und Neil selbst, die die geradezu unheimliche Fähigkeit hatten, jeden Wunsch ihrer Gäste zu erahnen, noch bevor dieser geäußert wurde. Zusätzliche Handtücher, Decken oder Kopfkissen wurden gebracht, kaum hatte der Gast daran gedacht; die Raumtemperatur wurde automatisch den jeweiligen Bedürfnissen angepasst und Claire vergaß nie einen Namen, so dass sich jeder persönlich willkommen fühlte. Daraus resultierte eine konstante hohe Rate an Repeatern – Wiederholungstätern, die felsenfest behaupteten, die Sugar Loaf Lodge sei eines der besten Boutiquehotels der Welt.

Das freute besonders Claire. Die Idee, ein Hotel zu eröffnen, stammte von ihr und sie war es auch gewesen, die Neil überzeugt hatte, dass die Lodge, in den Wicklow Mountains gelegen und mit freiem Blick auf die sanft gewellte Gebirgslandschaft, die absolut perfekte Wahl sei. Sie hatte mit dem Gemeinderat wegen der Renovierung verhandelt und ihm eine Straße abgerungen, die bis zum Hotel führte. Auch einen Innenarchitekten hatte sie engagiert, der die hochherrschaftliche Atmosphäre wiederherstellen sollte, aber mit einem heimeligen Anstrich. Den Bankmanager hatte sie mit Verve und Leidenschaft auf Anhieb überzeugt, dass das Hotel ein Erfolg würde – auch wenn Neils buchhalterische Kenntnisse und sein Wissen von Bilanzen und Buchhaltung den letzten Ausschlag gegeben hatten.

Manchmal las Claire von anderen Hotelbesitzern, die trotz großer Anstrengungen gescheitert waren, und fragte sich, ob das Glück, das sie bisher an den Tücken der Branche vorbeinavigiert hatte, die den anderen zum Verhängnis geworden waren, ihnen immer treu bleiben würde. Neil behauptete, ihr Erfolg habe nichts mit Glück zu tun, sondern damit, dass für sie beide Sugar Loaf Lodge nicht einfach nur ein Geschäft war Sondern die Erfüllung eines Traums. Und einen Traum zu haben, war unendlich viel wichtiger als ein Businessplan, der dem Hotel den letzten Cent abpressen wollte. Man sei seines Glückes Schmied, erklärte Neil, und daran arbeiteten sie jeden Tag.

Mit schöner Regelmäßigkeit lehnten Claire und Neil Angebote internationaler Hotelketten ab, die unbedingt die Sugar Loaf Lodge kaufen wollten. Sie wollten seine Einzigartigkeit erhalten, sie nicht einem Corporate Branding opfern, egal wie verführerisch der finanzielle Aspekt auch sein mochte. Jedes Jahr gratulierten sie sich zu ihrer Entscheidung – obwohl ihnen das letzte Angebot durchaus zu denken gegeben hatte. Es hatte sich um eine höchst verlockende Summe gehandelt, bei der sie sich automatisch fragten, ob diese auszuschlagen nicht der reine Wahnsinn gewesen war.

»Lass uns noch ein oder zwei Jahre weitermachen.« Letztendlich hatte Claire die Entscheidung gefällt. »Vielleicht hängt uns das Hotel dann ohnehin zum Hals heraus und wir wollen es nur zu gern an die gesichtslosen Anzugträger loswerden.«

»Meinst du wirklich, du hast die Sugar Loaf Lodge irgendwann mal satt?« Neil lächelte sie an.

»Eines Tages wahrscheinlich schon«, meinte sie nachdenklich. »Aber im Moment finde ich unser Leben einfach herrlich.«

Fast unmittelbar nachdem sie das Angebot abgelehnt hatten, trübte sich die wirtschaftliche Lage ein und sofort gingen die Buchungen zurück. Angesichts der vielen Stornierungen wurde es Claire richtiggehend schlecht und sie fragte sich, ob ihre unglaubliche Glückssträhne ein Ende gefunden hatte.

Die Leute buchten erst auf den letzten Drücker, besonders den Weihnachtsurlaub. Normalerweise war die Sugar Loaf Lodge aufgrund ihrer idyllischen Lage zu Weihnachten sehr begehrt und meist schon im September ausgebucht, aber in diesem Jahr waren sogar noch Anfang Dezember etliche Zimmer verfügbar. Neil und Claire schalteten zusätzliche Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften und beschlossen, dass die Erwartungen sämtlicher Gäste übertroffen würden, und hoffentlich, wenn diese den nächsten Urlaub planten, würde die Sugar Loaf Lodge ganz oben auf der Liste ihrer Ferienziele...