Erster TeilEin Narrengang
Eins
Gydene wurde vermisst.
Sie war nicht mein erstes Schiff, das verschwand. Die wilde See ist gewaltig, und Schiffe sind klein, undGydene, was einfach ‹Göttin› bedeutete, war kleiner als die meisten. Sie war in Grimesbi am Humbre gebaut undHaligwæter getauft worden. Sie war ein Jahr lang zum Fischfang genutzt worden, bevor ich sie kaufte, und weil ich kein Schiff namensWeihwasser in meiner Flotte haben wollte, bezahlte ich einer Jungfrau einen Schilling, damit sie in den Kielraum pisste, taufte dieHaligwæter aufGydene um und gab sie den Fischersleuten von Bebbanburg. Sie warfen ihre Netze weit vor der Küste aus, und als dieGydene nicht zurückkehrte, an einem Tag, an dem kräftiger Wind herrschte, der Himmel grau war und sich die Wellen schäumend und hoch an den Felsen der Farnea-Inseln brachen, nahmen wir an, sie wäre von den Brechern überrollt worden und hätte dem kleinen Dorf von Bebbanburg sechs Witwen und beinahe dreimal so viele Waisen beschert. Vielleicht hätte ich nicht an ihren Namen rühren sollen. Alle Seeleute wissen, dass man das Schicksal herausfordert, wenn man einen Schiffsnamen ändert, aber sie wissen auch, dass Jungfrauenpisse ein böses Schicksal abwendet. Doch die Götter können ebenso grausam sein wie die See.
Dann kam Egil Skallagrimmrson von seinem Land, das ich ihm zugesprochen hatte, Land, das die Grenze meines Gebietes zum Reich Constantins von Schottland bildete, und Egil kam übers Meer, wie er es immer tat, und im Laderaum derBanamaðr, seines Schlangenschiffs, lag ein Toter. «Am Tuede angespült worden», erklärte er mir, «das ist einer von Euren Männern, oder?»
«Am Tuede?», fragte ich.
«Auf dem Südufer. Hab ihn auf einer Sandbank entdeckt. Aber zuerst haben ihn die Möwen gefunden.»
«Das sehe ich.»
«Er war einer von Euch, oder?»
«War er.» Der Name des Toten lautete Haggar Bentson, ein Fischer, Rudergänger auf derGydene, großgewachsen, zu trinkfreudig, vernarbt von zu vielen Schlägereien, ein Haudrauf, ein Frauenschläger und ein guter Seemann.
«Der ist nicht ertrunken, oder?», stellte Egil fest.
«Nein.»
«Und die Möwen haben ihn nicht umgebracht», scherzte Egil.
«Nein», sagte ich, «die Möwen haben ihn nicht umgebracht.» Stattdessen war Haggar zu Tode gehackt worden. Seine Leiche war nackt und bleich wie ein Fisch, bis auf die Hände und das, was von seinem Gesicht noch übrig war. Tiefe Wunden verliefen über seinen Bauch, seine Brust und seine Oberschenkel, und die See hatte die grausamen Schnitte reingewaschen.
Egil berührte mit d