: Andreas Gruber
: APOCALYPSE MARSEILLE 13 utopische Geschichten - von Steampunk bis Science Fiction
: Luzifer Verlag
: 9783958351349
: Andreas Gruber Erzählbände
: 1
: CHF 5.60
:
: Science Fiction, Fantasy
: German
: 344
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Brutale Reality-Live-Shows in der Zukunft, Flugmaschinen, die gnadenlose Jagd auf Menschen machen, ein Tierarzt, der seine Familie auslöscht, um ihr Proben aus dem Rückenmark zu entnehmen, und der erfinderische Testpilot Ian Goodwin, der auf einem merkwürdigen Asteroiden notlandet und nur noch zwei Stunden zum Überleben hat. In Grubers Fantasien liegt die Côte d'Azur in Schutt und Asche. Er nimmt uns mit zum Untergang der Titanic, wie er tatsächlich passiert sein könnte, den mysteriösen unterirdischen Maya-Tempeln in Uxmal und in ein bizarres Steampunk-Wien um 1900, bei dem nichts so ist, wie es scheint. Bei Andreas Gruber ist alles möglich! ----------------------------- ----------------------------- --- 'An Andreas Gruber schätze ich vor allem, dass er eigene erzählerische Wege geht - und das atmosphärisch so glaubhaft, so greifbar, dass man ihm bereitwillig folgt.' [Andreas Eschbach] 'Grubers Stil ist rasant, komplex und sorgt immer wieder für überraschende Wendungen.' [Sebastian Fitzek]

Andreas Gruber, geboren 1968 in Wien, studierte an der dortigen Wirtschaftsuniversität und lebt als freier Autor mit seiner Familie und fünf Katzen in Grillenberg in Niederösterreich. Mittlerweile erschienen seine Kurzgeschichten in über hundert Anthologien, liegen als Hörspiel vor oder wurden als Theaterstück adaptiert. Seine Romane erschienen als Übersetzung in Frankreich, Italien, Türkei, Brasilien, Japan und Korea. Dreifacher Gewinner des Vincent Preises und dreifacher Gewinner des Deutschen Phantastik Preises. Arbeitsstipendium Literatur 2006, 2008, 2009, 2010, 2012, 2013 und 2014, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. Gruber spielt leidenschaftlich gern Schlagzeug und wartet bis heute auf einen Anruf der Rolling Stones.

Sieben Ampullen

Ich bin davon überzeugt, dass viele Autoren in der Hölle brennen werden. Warum? Schriftsteller sind nun mal geisteskrank. Sie erfinden Dinge, die schrecklich und abartig sind. Ich nehme mich da nicht aus. Auch in den Storys dieser Sammlung schreibe ich über einige dieser Themen – wie zum Beispiel jetzt.
  Die ersten fünf Seiten dieser Story entstanden übrigens in der Steiermark, bei einem Schreibworkshop, bei dem siebzehn Autorinnen und Autoren von Andreas Findig und Leo Lukas im Rahmen einer mehrtägigen Autorenschmiede unterrichtet wurden. Einer dieser Teilnehmer war u.a. Michael Marcus Thurner, der mittlerweile erfolgreicher Perry-Rhodan-Autor ist und selbst Workshops hält. Zuvor hatte ich bereits in Wolfenbüttel in Norddeutschland einen dreitägigen Schreibworkshop von Andreas Eschbach und Klaus N. Frick besucht. Diese Treffen waren immer sehr fruchtbar, und ich erinnere mich gern an diese Zeit.
  Jedenfalls wollte ich die Story gleich mit einem starken Opener eröffnen. Ohne Aufwärmphase.
  Schnallen Sie sich an!

Doktor Kamal Ahmed legte den Kopf schief und lauschte. »Kleines, bist du oben?«
  Keine Antwort. In dem Einfamilienhaus im Örtchen Griesach, wenige Kilometer südlich von Wien, blieb es still. Warum musste es heute sein, am zweiten Sonntag im Juni? Ausgerechnet am Vatertag! Aber er hatte keine andere Wahl, er musste es hinter sich bringen. Kamal stieg die Treppe zur Dachbodenkammer hinauf und öffnete die Tür.
  »Hallo, Papa.« Sandra sah nicht auf. Sie saß vor dem gekippten Fenster, über den Schreibtisch gebeugt und kritzelte in ein Heft.
  Die Vorhänge wiegten sich im Wind. Mehrere Stofftiere saßen auf der Fensterbank und blickten mit schwarzen Knopfaugen in den Raum. Kamal legte den Aluminiumkoffer auf das Bett seiner Tochter, lockerte den Krawattenknoten und atmete tief aus. Er schob das Sakko zur Seite und zog die Waffe aus dem Hosenbund.
  Kamal nagte an der Unterlippe. »Machst du Schulaufgaben, Kleines?« Er versuchte, so belanglos wie möglich zu klingen.
  »Mhm«, murmelte sie.
  Hoffentlich dreht sie sich nicht um.Er hätte seiner Tochter nicht in die Augen sehen können. Zum Glück reagierte Sandra nicht. Wie immer, wenn sie Hausaufgaben machte, war sie in ihre Arbeit vertieft.
  Stumm saßen Hase, Esel und Puh der Bär auf dem Fensterbrett – Stofftiere aus ihrer Kindheit, von denen sie sich nicht trennen konnte. Kamal legte den Finger auf den Abzug. Schwer lag die Automatik in seiner Hand. Beinahe hätte er vergessen, den Schalldämpfer zu montieren. Marlene bereitete in der Küche das Mittagessen zu. Sie hätte den Schuss gehört und wäre augenblicklich auf den Dachboden gestürzt. Solche plumpen Fehler würden ihm nicht noch einmal passieren.Aber die Vorratskammer! Verdammt!Marlene war ja in der Küche. Hoffentlich blickte sie nicht in die Kammer. Egal, er durfte nicht daran denken.Konzentrier dich! Du musst dich beeilen.
  Kamals Arm zitterte. Er trat von hinten an Sandra heran und legte ihr die Hand auf die Schulter. Die blonden Strähnen des Mädchens leuchteten in der Mittagssonne. Er roch das Haarshampoo, die Hautcreme und den Hauch des Parfums – das Mädchenparfum einer Vierzehnjährigen.
  »Ich liebe dich, meine Kleine.«
  »Papa, was …?«
  Er hielt ihr den Lauf an den Hinterkopf, schloss die Augen und drückte ab. Der Rückstoß riss ihm die Hand zur Seite, der Schädel des Mädchens schnellte nach vorne und krachte auf die Schreibtischplatte. Gott! Überall Blut. Graue und rote Masse klebte auf dem Fenster und lief am Rahmen herunter. Er durfte nicht darüber nachdenken, was er getan hatte, sondern musste rasch handeln.
  Kamal zerrte Sandras Leichnam unter den Achseln vom Stuhl und legte ihn bäuchlings auf den Bode