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Sie stand an der Haltestelle und trat von einem Fuß auf den anderen. Mittlerweile wartete sie schon seit zwölf Minuten, und es war immer noch kein Bus aufgetaucht. Dabei sollte man doch eigentlich meinen, dass man am Freitagabend an der Kensington High Street einen Bus erwischen würde. Das war so ätzend.
Ganz zu schweigen von dem unheimlichen Typen mit dem Kapuzensweatshirt und den Ohrhörern. Er glaubte wohl, sie würde nicht bemerken, wie er zu ihr herüberschaute. In ihrem dünnen weißen Kleid fühlte sie sich seinen Blicken vollkommen ausgeliefert, und sie hatte nicht einmal eine Strickjacke dabei, die sie sich über die Schultern legen konnte. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Warum hatte sie dieses verdammte Teil nur angezogen? Aber natürlich wusste sie, warum sie es getan hatte. Zum einen war es ein wunderschöner Abend, ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit, und außerdem hatte sie geglaubt, er würde sich anders entwickeln.
Demonstrativ kehrte sie dem Kapuzentypen den Rücken zu und checkte ihr Handy. Keine Nachrichten. Und auch keine verpassten Anrufe. Anscheinend hatte sie sich geirrt.
Und immer noch kein Bus in Sicht. Der Kapuzentyp rückte ihr noch ein bisschen dichter auf die Pelle.
Das gab den Ausschlag. Sie beschloss, zur Kensington Church Street hinüberzugehen und dort den 52er zu nehmen – womit sie sich auch das Umsteigen am Notting Hill Gate sparen würde. Allerdings musste sie dann noch mal an der Pianobar vorbei, und sie wollte die anderen nicht mehr sehen.
Sie marschierte rasch los und blickte kurz über die Schulter, um sich davon zu überzeugen, dass ihr der Kapuzentyp nicht folgte. Als sie am Club vorüberkam, wummerte Musik aus den offenen Fenstern im ersten Stock. Und sie senkte den Kopf, als ob sie so unsichtbar würde. Als sie vorhin hinausgestürmt war, hatte sie halb gehofft, irgendwer käme ihr nachgelaufen, aber mittlerweile wollte sie keinen von ihnen mehr sehen. Auf gar keinen Fall heute Nacht. Vielleicht nie wieder.
Und mit Hugo war sie wirklich ein für alle Mal fertig. Beim Gedanken an die letzte Nacht errötete sie vor Scham. Sie hatte Schluss machen wollen und sich deswegen schuldig gefühlt. Und nur aus diesem Grund hatte sie noch mal mit ihm geschlafen. Aber heute Abend hatte sie herausgefunden, was er für einer war. O Gott. Dieser Arsch.
Als sie über den Vorplatz der St. Mary Abbots Church abkürzte, klatschten ihre Sandalen auf die Pflastersteine. Jetzt im Dunkeln und da der Blumenstand geschlossen war, wirkte es hier sehr verlassen, und sie war heilfroh, als sie endlich um die Ecke biegen und zur 52er-Haltestelle hinauflaufen konnte.
Erleichtert sah sie, dass der Bus heranrollte. Nachdem er quietschend und seufzend zum Stillstand gekommen war, stieg sie ein. Mit ihrem weit ausgestellten Kleid wollte sie auf keinen Fall die Wendeltreppe hochsteigen und suchte sich einen Platz im Unterdeck. Als sie saß, wandte sie sich von ihrem Spiegelbild im Fenster ab. Zuvor erhaschte sie jedoch noch einen Blick auf die dunklen Lo