Kapitel 1
Mein Wecker klingelte eindeutig zu früh, denn die Sonne hatte es noch nicht einmal geschafft, ein dunkles Lila auf den Nachthimmel zu zaubern. Ich wusste sowieso nicht, warum wir im Urlaub so früh aufstehen sollten, nur um wieder an irgendeinen Ort zu fahren, der niemanden interessierte. Von meinem Vater abgesehen, denn er schleppte uns überall hin.
Als mein Dad meinte, er würde uns allen einen einmonatigen Familienurlaub spendieren, dachte ich an etwas Außergewöhnliches. Australien zum Beispiel oder eine Asientour. Vielleicht Südamerika, immerhin wollten wir alle die Copacabana in Brasilien sehen.
Natürlich hatten wir zugesagt! Es war eine unserer letzten Möglichkeiten für einen gemeinsamen Urlaub. Meine ältere Schwester Victoria, die wir alle Vicky nannten, war fünfundzwanzig und würde im nächsten Sommer heiraten. Ich fand ja immer noch, dass fünfundzwanzig zu jung war, aber sie ließ es sich nicht ausreden.
Zum Glück war ihr Verlobter Martin nicht mitgekommen, denn Dad wollte nur die Familie dabeihaben. Ich hatte nichts gegen Martin. Er war einfach … nun ja. Ich kannte ihn seit bald drei Jahren und hatte keine fünf Sätze mit ihm gewechselt. Außerdem fühlte es sich in seiner Nähe immer so gezwungen an. Daher war ich froh, nicht unter einem Dach mit ihm wohnen zu müssen.
Mein jüngerer Bruder, Günter, war nun achtzehn und würde demnächst in den USA studieren. Ich wusste noch immer nicht recht, wie er das geschafft hatte, aber der kleine Angeber hatte sich bei der Harvard Business School beworben und war tatsächlich angenommen worden.
Und ich? Ich war nun fast einundzwanzig und studierte Medizin. Es war immer mein Traum gewesen, aber irgendwie hatte ich meine Schwierigkeiten, mich durch den Dschungel der Vorlesungen zu schlagen. Dieser Urlaub hätte mir guttun sollen, aber …
Statt eines Traumstrandes an einem der schönsten Fleckchen Erde wurde es ein Griechenlandurlaub. An sich mochte ich Griechenland. Es gab auch hier schöne Strände und gutes Essen. Allerdings war das Meer noch nicht einmal in der Nähe, denn mein Dad hatte uns in irgendeinem abgelegenen Bauernhof einquartiert, der einem das klassische Leben der Griechen vermitteln sollte.
Ja. Wunderbar.
Selbst Mum war darüber entsetzt gewesen. Aber mein Vater hatte vor rund einem halben Jahr einen schweren Schicksalsschlag erlitten, als er mit seinem besten Freund zu einer Motorradtour unterwegs war. Es gab einen Unfall, an dem Dad wohl nicht ganz unschuldig war, und sein Freund starb. Seitdem war Papa nicht mehr derselbe Mensch und zog sich immer mehr von uns allen zurück. Es überraschte uns also, dass er einen so langen Urlaub mit uns plante. Immerhin sollten wir vier Wochen hier sein! Da wir alle hofften, er würde wieder richtig in sein Leben zurückfinden, hatten wir zähneknirschend zugestimmt.
Er hatte ab dem Moment, in dem er uns eröffnet hatte, wo die Reise hinging, von einem faszinierenden Buch geredet und schon einige Unternehmungen gebucht, die mit archäologischen Ausgrabungen zu tun hatten. Das verband meinen Vater und mich: Wir liebten die antiken Sagen und Geschichten. Aber selbst für mich war dieser Plan etwas zu viel des Guten.
Der Bauernhof wäre ja recht schön gewesen, allerdings waren es tagsüber rund vierzig Grad und es gab keinen Pool oder andere Möglichkeiten, sich abzukühlen. Immerhin mussten wir nicht im Stall oder bei der Ernte aushelfen.
Gähnend schälte ich mich aus dem B