Verbannt
Ocracoke
1995
Wenn ich ehrlich bin, fing mein geheimes Leben sogar schon mit fünfzehn an, als meine Mutter mich auf dem Badezimmerfußboden fand, ziemlich blass um die Nase, die Arme um die Kloschüssel geschlungen. Seit eineinhalb Wochenübergab ich mich jeden Morgen, und meine Mutter, in solchen Dingen bewanderter als ich, rannte sofort zur Drogerie und ließ mich auf ein Stäbchen pinkeln. Als das blaue Plus erschien, starrte sie lange wortlos auf das Stäbchen und zog sich schließlich in die Küche zurück, wo sie mehr oder weniger den ganzen Tag lang weinte.
Das war Anfang Oktober, und zu dem Zeitpunkt war ich ungefähr in der zehnten Woche. Ich habe an dem Tag wahrscheinlich genauso viel geweint wie meine Mutter. Ich blieb in meinem Zimmer, meinen Teddy im Arm – ich weiß nicht genau, ob meine Mutterüberhaupt merkte, dass ich nicht zur Schule gegangen war –, und starrte mit roten Augen aus dem Fenster. Draußen goss es in Strömen. Es war typisches Seattle-Wetter, und selbst heute noch möchte ich bezweifeln, dass es auf der ganzen Welt einen deprimierenderen Ort gibt, besonders, wenn man fünfzehn und schwanger und fest davonüberzeugt ist, dass das Leben vorbei ist, ehe esüberhaupt richtig anfangen konnte.
Ich hatte natürlich keine Ahnung, was ich tun sollte. Daran erinnere ich mich am besten. Ich meine, woher sollte ich wissen, was es bedeutete, Mutter zu sein? Oder auch nur erwachsen? Sicher, es gab Momente, in denen ich mich älter fühlte, als ich war, zum Beispiel als Zeke Watkins, der Star der Basketballmannschaft, mich auf dem Schulparkplatz ansprach, aber gleichzeitig war ich auch noch sehr Kind. Ich liebte Disneyfilme und Geburtstagsfeiern mit Erdbeereis auf der Rollschuhbahn; ich schlief immer mit einem Teddy im Arm und hatte noch nicht mal einen Führerschein. Offen gestanden hatte ich nicht einmal besonders viel Erfahrung mit dem anderen Geschlecht. Ich hatte in meinem ganzen Leben nur vier Jungs geküsst, allerdings ging einmal das Küssen zu weit. Etwas mehr als drei Wochen nach jenem grauenhaften Tag des Übergebens und Weinens trafen meine Eltern die Entscheidung, mich nach Ocracoke vor der Küste North Carolinas zu verfrachten, auf eine Insel, von deren Existenz ich bis dahin noch nicht einmal etwas geahnt hatte. Angeblich war es ein bei Touristen extrem beliebtes, malerisches Strandörtchen. Dort sollte ich bei meiner Tante Linda Dawes wohnen, der viel älteren Schwester meines Vaters, einer Frau, die ich nur ein Mal gesehen hatte. Meine Eltern vereinbarten mit meinen Lehrern, mir den Lernstoff zur Verfügung zu stellen, damit ich nicht zurückfiel, und besprachen sich lange mit dem Rektor, der nach einem Telefonat mit meiner Tante entschied, dass sie damit betraut werden konnte, meine Arb