Ich finde Yéyé in der Küche über ein Zòngzi gebeugt. „Hán-Jié hat uns welche hiergelassen“, meint Yéyé zufrieden. „Die nächsten Tage sind wir versorgt.“ Ich nicke, nehme mir ebenfalls ein Zòngzi und schäle den tetraederförmigen Klebereis aus dem Bambusblatt.
„Sie schmecken zwar nicht besonders gut – man hätte ruhig mehr Erdnüsse und Fleischstücke reingeben können –,
aber wir sparen uns Geld.“
Ich nicke und führe mir mit den Stäbchen einen Bissen in den Mund. „Schmeckt ziemlich gut.“
Yéyé schaut mich erstaunt an, dann bringt er die Schnüre, mit denen die Bambusblätter um den Reis gebunden waren, zum Waschbecken und legt sie in Wasser ein. Erst kürzlich sei er draufgekommen, berichtet er, dass sich die Zòngzi-Schnüre hervorragend als Schnürsenkel eigneten.
„Man könnte auch mehrere Schnüre zu einer Wäscheleine zusammenknüpfen“, schlage ich vor.
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, meint Yéyé strahlend und klopft mir auf die Schulter. Ich habe meinen Vorschlag zwar eher zynisch gemeint, doch dass Yéyé ihn gut findet, erfüllt mich mit einem Hauch von Stolz. Es ist nicht leicht, seine Anerkennung zu bekommen.
Inzwischen habe ich mich an meine nächtlichen Ausflüge gewöhnt. Sie sind die kleinen Höhepunkte meines sonst lähmenden Alltags geworden. Das mag wohl auch der Grund sein, weswegen ich manchmal das abendliche Wälzen im Bett überspringe und nur darauf warte, bis Yéyé die Gelsen vor seiner Zimmertüre wegwedelt und schlafen geht. Es ist mir vertraut geworden, dieses Herumstrolchen im Dunklen, die Suche nach dem Wasser, dem wir alle einmal entstiegen sind.
Die Pfütze lässt nicht lange auf sich warten. Es zieht mich zu ihr hin, als hielte ich eine Wünschelrute in der Hand. Gerade als ich mich über sie beugen will, bemerke ich in der Ferne die ersten Funkenexplosionen eines Feuerwerks. Bunte Muster erhellen die Nacht. „Hier spielt die Musik“, kommt es ungeduldig aus dem Wasser, doch ich bin im Bann der Knallkörper.
Als sich das Donnern des Feuerwerks legt, wird wieder hörbar: das Zirpen der Grillen, das Rascheln der Blätter, das dumpfe Dröhnen der befahrenen Straßen. Auch die Halme der Wiese, auf der ich stehe, singen, meint die Pfütze besserwisserisch, und die Teilchen eines Sauerstoffatoms tun es sogar in einer Durtonleiter. Das ganze Universum schwingt.
Doch es kommt immer wieder aus dem Takt und fabriziert kurze Aussetzer. Nach welchem Schema weiß man nicht. Wenn es passiert, sollte man rasch einen Platz suchen und sich hinsetzen. Vergnügt gluckert die Pfütze:
Nimm Platz – das Leben ist ein Sesseltanz.
Oder mach Platz – damit sich wer anderer setzen kann.
Ich hocke mich hin und beuge mich über das Nass. Unverzüglich schlägt das Wasser um und formt meinen achtlos geworfenen Schatten zur Silhouette von Pèi-Líng, Amás Mutter, meiner Urgroßmutter also. Mit angewinkelten Beinen liegt sie im Bett und keucht. Wer von der Seite hinschaut, vermag mit etwas Fantasie in ihren unteren Extremitäten die Form eines Dreiecks zu erkennen, in welches die Pfütze ein Metronom stellt, dessen ausschlagendes Pendel an Tempo gewinnt. Das Adagio hat es längst hinter sich gelassen, prescht jetzt Richtung Presto. Die Atmung der Gebärenden wird schneller, gerät in ein Hecheln, von dem man heutzutage abraten wü